der Hai, das Meer und ich

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der Hai, das Meer und ich

...mit geöffnetem Maul kommt er auf mich zu; sein Körper formt sich zu einem Pfeil, aus dem die Rückenflosse grotesk heraus wächst. Ich stelle mich auf einen schmerzhaften Todeskampf mit der Bestie ein. Aber was ist das? Ein winziger Hai mit rosarotem Zahnfleisch schwimmt gelangweilt an mir vorbei, und dort, wo eigentlich große spitze Reißzähne sitzen sollten, hängen ein paar Haare. Und damit grinst er mich auch noch an! Offensichtlich hat er ne Menge Spaß daran, der blöde Hai, mich so zu erschrecken! Vegetarier ist er, der olle Fisch, und alles andere als gefährlich. Ich bin ernsthaft böse mit dem Tier. Für wen hält der sich?! Mir ist noch ganz schlecht von dem verschluckten Salzwasser, als er vor mir abdreht und zum Abschied höhnisch mit der Flosse winkt. Dann verschwindet er in der dunklen Tiefe des Meeres. Nicht mal der Fischschwarm hat sich von ihm einschüchtern lassen. Peinlich berührt und ein wenig beleidigt stecke ich meinen Schnorchel in den Mund und tauche zu unserem Boot zurück. Ich glaube, ich kann die kleinen Fische hinter mir kichern hören, und wenn ich mich jetzt umdrehe, zeigt einer mit der Flosse auf mich; die anderen halten sich die Bäuche...

Ob ich einen Hai gesehen hätte, fragen mich Kami und Sabri, unser Fahrer. Jaja, ganz toll war das, echt süß und ach wie schön, aber können wir jetzt wo anders hinfahren? Wir fahren. Die warme Luft, meine Zigarette "danach" und die Schönheit der Insel entschädigen mich für diese blamable Begegnung mit dem Untier. Da! ruft Sabri, look, look, a turtle! Und tatsächlich, wie aus dem Nichts taucht ein riesiger Schildkrötenkopf aus dem Meer! 


Kami und ich springen prompt hinterher. Ich lasse Schnorchel Schnorchel sein und tauche ein, zwei Meter tief. Und da, nur ein paar Handbreit entfernt - taucht die gigantische Schildkröte unter mir hindurch!! Ein wahnsinniges, tolles, kitzelndes Gefühl durchfährt mich; es ist unbeschreiblich. Ihr schwerer Körper gleitet elegant und leicht durchs Wasser, sie taucht tiefer, bis auf den Grund, wo sie sich in den weichen Sand einbuddelt... was für eine Vorstellung! Ich nehme vor Aufregung nochmal einen kräftigen Schluck Wasser bevor ich auftauchen muss. Zurück im Boot sind alle begeistert; man begegnet schließlich nicht alle Tage solch einem Tier. Nochmal lässt sie sich jetzt aber nicht blicken; so ein Zirkus um sie, da macht man lieber ein Nickerchen auf dem Meeresboden. Ich kann sie verstehen; und wir fahren weiter. Sabri bringt uns zu einer niedlichen kleinen Bucht. Keine Menschenseele an diesem Strand! Sabri verabschiedet sich; er holt uns in zwei Stunden wieder ab. Nein, komm bitte nie, nie wieder, denke ich und lasse mich in das pippiwarme Wasser fallen; schließe die Augen und träume...

Nachdem ich so eine Stunde von der Sonne gebraten wurde, schnappe ich mir meinen Schnorchel und tauche - tauche in eine faszinierende Welt aus Farben, wie ich sie noch nie gesehen habe! Um das Leben dort unten, nur ein paar Meter tief, zu beschreiben, reichen alle Wörter der deutschen Sprache nicht aus. Und ich würde nicht an die Existenz  dieser Welt glauben, hätte ich sie nicht selbst gesehen. Ich schwimme vorbei an leuchtenden Korallen - wulstige Gebilde, einige 20, 30 Meter lang und breit; eckig und rund ihre Auswüchse, wie Finger bewegen sie sich mit dem leichten Strom; sie öffnen und schließen ihre Münder als ich vorbei komme, wie um mich zu begrüßen. Tausende kleiner Fische ziehen ihre Bahnen, in meinen Ohren rauscht das Wasser. Direkt vor meinen Augen schießt ein seltsames Tier vorbei - hatte das gerade acht Beine?! Ich sehe es nur noch weit entfernt, wie es davon schwimmt, auf Nimmerwiedersehen. Die psychedelischen Farben leuchten so stark, so blendend, dass mir schwindelig wird. Ich bin auf einem Trip! denke ich, das kann nicht wirklich wahr sein, das ist einfach zu schön, das ist nicht von dieser Welt... kann mich mal jemand zwicken, damit ich weiß, dass ich nicht träume? Und tatsächlich, da zwickt mich etwas in den Finger! Aua, denke ich noch fahrig, obwohl es gar nicht weh tat und sehe mich einem bunten Fischchen gegenüber; das mir direkt in die Augen guckt! Ganz dicht eiert er vor meiner Taucherbrille und glotzt mich an. Ich fühle mich ein wenig verkackeiert. Die Situation ist so unsinnig, dass ich lachen muss und mich herzhaft verschlucke. 

Sabri holt uns am späten Nachmittag wieder ab und fährt uns ein paar hundert Meter weiter zu einem kleinen Strandabschnitt. Völlig ausgehungert setzen Kami und ich uns in das kleine Restaurant. Ich muss mich ein wenig überwinden, einen Fisch zu bestellen, schließlich hat mich eben noch einer seiner Kollegen gegrüßt! Aber um das grandiose Nasi Goreng komme ich dann doch nicht herum...

Einer der schönsten Tage meines Lebens endet mit einer Runde Volleyball, BBQ mit Meerblick, einer Flasche Rotwein und einem kleinen Joint zum Nachtisch, der zu meinem Glück sein Übriges dazu tut....


lost in paradise

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lost in paradise

Der Hai kommt direkt auf mich zu! Mit seinen großen Glubschaugen visiert er mich an; wird schneller – jetzt sind es nur noch ein paar Meter, dann hat er mich! Mir wird ganz anders, ich kriege Panik, sehe mich um, wohin ich kann, wie ich mich noch retten kann vor der Bestie. Um mich herum ein großer Fischschwarm, weit weg, viel zu weit weg unser Boot, das uns hier raus gelassen hat. Wo ist Kami? Warum hat er mich hier allein gelassen, mitten auf offener See?! Auge in Auge mit dem fleischfressenden Monster verliere ich vor Aufregung meinen Schnorchel und nehme einen kräftigen Schluck Meerwasser, bevor ich realisiere, dass es in dieser Situation nur einen Gewinner geben kann – und das bin nicht ich..  Ich strampele so schnell wie nur möglich aus der Schwimmbahn meines  Feindes; da vorne sind die Felsen! Vielleicht kann ich… – aber es ist zu spät! Er öffnet bereits sein riesiges Maul und fletscht seine Zähne…

Freitagnacht. Mit Zahnbürste, Schwimmzeug und Handtuch im Gepäck stehen Kami und ich am Hauptbahnhof, mitten in Kuala Lumpur. Die Reisebusse verpesten die Luft, es ist stickig und heiß, tausende Menschen drängeln sich an uns vorbei; die Lautsprecherdurchsagen dröhnen so laut durch die Wartehalle, dass keine Unterhaltung möglich ist. Da endlich kommt unser Bus, der uns in 8 Stunden an die Ostküste Malaysias bringen soll. Wir schlafen kaum; die Klimaanlage nimmt ihren Job sehr ernst und lässt uns bei 18 Grad frieren.
Um 5 Uhr morgens erreichen wir endlich den Hafen. Alle Strapazen sind augenblicklich vergessen, als wir uns auf eine Bank am Meer setzen und die leuchtenden Wolken am Himmel bestaunen, die von der aufgehenden Sonne in tiefes Violett und brennendes Rot getaucht werden. Wir sind die einzigen Menschen hier; weit entfernt dringen die Klänge des islamischen Morgengebets zu uns. Die warme Luft und die leiernde Musik lullt mich ein; ich versinke in einen merkwürdigen Halbschlaf.  

Die Sonne wird von dicken grauen Wolken verschluckt und als ich aufwache, fängt es gerade an zu regnen. Wir stehen mit einigen Backpackern am Pier und warten, dass unsere Fähre ablegt. Italiener, Russen, Australier, Chinesen. Aus aller Welt kommen die Menschen hier, aber eines haben wir in diesem  Moment gemeinsam: Vorfreude! Die Spannung ist jedem einzelnen anzusehen - nicht umsonst, denn immerhin sind wir nur noch ein paar Kilometer vom Paradies entfernt: Perhentian Island!
Die kleine Insel empfängt uns, trotz Regen, in ihrer vollen Schönheit. Von unserem kleinen Boot, das uns von der Fähre abholt, um uns die letzen Meter zum Strand zu bringen, steige ich in das Wasser. Es ist so klar wie ein Kristallglas, so blau wie ein Türkis und so warm, dass ich augenblicklich hinein springen möchte! 
Ein kleiner Weg führt uns zwischen Palmen und kleinen Hütten bis zu unserem kleinen Bungalow, von dem aus wir auf die ruhige See blicken. Ich bin fassungslos von dieser Schönheit, dieser Ruhe, diesem Fleckchen Erde, wo ich alles um mich herum vergesse. Kami und ich setzen uns auf die großen alten Holzstühle, genießen und schweigen. Die Wolken weichen der Sonne, kein Laut ist zu hören, nur das seichte Plätschern der Wellen dringt zu uns. Wir sind selig. 


Das Knurren durchbricht die Stille, in der wir seit 2 Stunden schwelgen. Es sind unsere Mägen, die nach Nahrung schreien - vor lauter Staunen haben Kami und ich die Zeit vergessen; es ist schon später Nachmittag, als wir uns zu dem kleinen Restaurant aufmachen. Hier sitzen ein paar Urlauber im Schatten, die Einheimischen arbeiten hinter dem Tresen, leise Musik unterstreicht die entspannte Atmosphäre. Das  Häuschen ist ganz aus Bambus gebaut, rund herum wachsen Kokosnusspalmen und bunte Blumen.  Wir bekommen Pancakes mit Schokosirup und Honig serviert, dazu frisch gepressten Mango- und Wassermelonensaft. Der Himmel auf Erden! Satt und zufrieden machen Kami und ich uns auf zu einem Verdauungsspaziergang. Ich denke an nichts, gar nichts, ich bin einfach nur hier.








Der nächste Morgen beginnt mit einer Hitzewelle, die in unseren klimatisierten Bungalow strömt. Es ist eindeutig zu heiß, um in der Sonne zu liegen. Wir mieten uns spontan ein privates Taxi - in diesem Fall ein Boot - das uns zum Schnorcheln an die Korallenriffe bringen soll. Sabri heißt unser Fahrer, gut gelaunt und fröhlich fährt er uns zu der Bucht, wo die Haie wohnen...

Fortsetzung folgt...

Pulau Ketam - das Dorf auf Stelzen

03:55 Edit This 0 Comments »
Peon hat stahlblaue Augen. Sie leuchten mich an und ich bin sofort verliebt in den kleinen Mann. Da macht es auch nichts, dass er mindestens 90 Jahre alt ist und kaum noch sehen kann. Trotzdem empfängt er mich mit einem herzlichen "You must be an angel!" Ich bin etwas verlegen und schüttele ihm, typisch deutsch, die Hand. Er drückt mir im Gegenzug einen feuchten Schmatzer auf die Wange. Lachend stehen wir zwischen Palmen; Zac und die Kartoffelfrau etwas verlegen daneben, ein Hund jagt Hühnern hinterher. Es ist unfassbar heiß, alle schwitzen. Peon unterbricht die Stille und hüpft wie kleiner Junge zu dem kleinen Holzvorsprung; wir folgen im Entenmarsch. Plötzlich stemmt er eine riesige Holzskulptur aus dem Regal und hält sie uns stolz vor die Nase. Ich bin begeistert! Drei Monate hat er daran gearbeitet, fast blind, aber er macht das schließlich schon Jahre. 
Jaja, sehr exotisch, toll, hm. Die Kartoffelfrau schwitzt unter ihrer dicken Make-Up-Schicht und drängt zum Gehen. Ich schieße schnell noch ein paar Fotos von dem kleinen Mann mit der großen Maske und bin dankbar um diese Begegnung.

 . 






Wir verlassen die Plantage. Frau Schranzel-Weihmacher schlägt vor, auch noch auf die Nachbarinsel zu fahren. "Säck, wi häf tu go to se port sär, du ju no, se pooort!" 
"No, Ma'am." Woher soll er auch wissen, wohin sie will - sie versteht sich ja selbst nicht! Ich übersetze: Zum Hafen wollen wir bitte, irgendwo dort muss eine Fähre sein. Er versteht.
Der versteht aber auch immer nix, der Säck, ich glaub auch, der is nicht so intelligent, weißt du, haha. Das nervt dann auch manchmal, kannst du dir vorstellen, wenn der aber auch immer nix versteht.
Ich seufze, wir erreichen die Fähre. Zac organisiert uns die Tickets und für 50 Cent setzen wir über. Er wartet auf dem Festland, bis wir zurück sind. Welch Erleichterung in seinem Blick!


Wir sind die einzigen Weißnasen weit und breit; die Menschen schauen uns staunend hinterher; ich winke freundlich und sehe mich fasziniert um: das Dorf auf Stelzen ist so bunt, so farbenfroh, so ruhig und friedlich wie ich noch keinen anderen Ort auf dieser Welt gesehen habe. Keine Autos, nur ein paar Fahrrad fahrende Einwohner. Ich bin hin und weg von dieser kleinen Oase. Frau Schranzel-Weihmacher hat offenbar keine Augen für diese Schönheit; sie zieht es vor, eine Freundin anzurufen und durchbricht die Stille mit ihrer quäkenden Kartoffelsprache. Der Dialog ist so platt und stupide, dass ich in einem großen Sicherheitsabstand vorweg laufe, um das Elend nicht mit anhören zu müssen. Auf den kleinen Wegen zwischen den Häusern findet das Leben statt. Frauen mit Kopftüchern sitzen im Schatten und tratschen; bärtige Männer spielen Karten; dazwischen spielen die Kinder Fangen.  Sobald ich an ihnen vorbei gehe, wird alles plötzlich ganz still, sie drehen die Köpfe und flüstern sich etwas zu. Manche winken, andere lächeln, einige schauen weg. Ich fühle mich trotzdem willkommen und winke fröhlich zurück. An jedem Häuschen stehen kleine Schreine mit einer Buddhastatue darin, die von Räucherstäbchen eingenebelt wird. Überall hängen Blumen, leise Musik dringt aus den Haustüren; ich versinke in dieser Welt und genieße -
während Frau Schranzel-Weihmacher noch immer lauthals telefoniert! Langsam werde ich maßlos böse über diese Ignoranz, dieses dümmliche Geschnatter hinter mir und muss mich zurückhalten, sie nicht vom Steg zu schubsen. Da unten im Schlamm kriechen kleine, undefinierbare Tierchen. Ich stelle sie mir mit großen Zähnen vor und wie sie an der Kartoffelfrau knabbern... 
Unsere Fähre legt bald schon wieder ab und während ich noch dem schmucken Dorf hinterher träume, ist Frau Schranzel-Weihmacher ganz in ihrem Element und kaut mir ein Ohr ab. Auf dem Festland wartet der arme Zac auf uns; er grinst, als er mich und meine Miene sieht. Auf dem Rückweg geraten wir noch schön in einen Stau, der meine Nerven und ihre Stimmbänder stark beansprucht. Das Reden nimmt kein Ende, ich möchte mich erschießen und auch Zac ist den Tränen nahe. 
Zuhause angekommen öffne ich eine Flasche Wein und ertränke meine Erinnerungen an die Kartoffelfrau im Alkohol. Jaja, alles so exotisch hier, geistert es mir noch in der Nacht durch den Kopf.



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zwei Weißwürste beim Schnitzer

20:28 Edit This 0 Comments »
Zwei Weißwürste beim Schnitzer

Ich dachte, das wird ein schöner Tag. Wäre es auch geworden, wäre da nicht die Frau mit dem grandiosen Namen Helga Schranzel-Weihmacher gewesen. Eine dumpfbackige Kartoffel, der Inbegriff einer Deutschen, das Leidwesen eines Jeden, der sich in ihrer Nähe aufhält. Ich habe sagenhafte 9 (in Worten: neun!) Stunden mit ihr verbracht, gefangen in einem Volvo mit einem personal driver, für den ich tiefstes Mitleid empfinde.

Gestern erst lernten Frau Schranzel-Weihmacher und ich uns auf der Redaktionskonferenz kennen. Sie kam eigentlich nur, weil sie sich langweilte. Eine mitgereiste Ehefrau, die frustriert das Geld ihres Mannes verprasst; in einem Land, das ihren Ansprüchen niemals gerecht werden kann. Eine Frau, in deren Vokabular das Wort "arbeiten" nicht existiert, jedenfalls nicht im Zusammenhang mit Ich. Eine, die keine Ahnung vom Leben hat.

Um 10 Uhr werde ich abgeholt; und ahne nichts Böses - wollen wir doch nur recherchieren, was es auf Carey Island alles zu sehen gibt. Eine kleine Insel westlich von Kuala Lumpur; dort sollen die Eingeborenen leben, wie Helga sagt, oder auch Orang Aslis, um politisch korrekt zu bleiben. Die Fahrt dauert 30 Minuten, in denen ich Frau Schranzel-Weihmacher noch wohlwollend zuhöre, freundlich nicke und über ihre blöden Witzchen lache. Seit zwei Monaten sei sie jetzt hier und nein, sie könne sich ja nicht daran gewöhnen, an dieses Dritte-Welt-Leben. Achach, jaja, ist ja alles so exotisch hier, nicht wahr? Na ich geh dann immer zu den deutschen Frauentreffen hier, da gibts immer Kaffee und Kuchen, jaja, und die Leute hier sind ja auch nicht so gebildet, nicht, ja genau, hm.

Stille.

Ja, hm, also jetzt hab ich ja unser Haus neu eingerichtet. Das war aber auch nicht leicht; die haben ja auch keinen Geschmack hier, nicht, hm. Und dann stell dir vor, da sollte der Handwerker kommen, um zwölf, und dann kommt der nicht, weil der beten muss. Wo gibts denn sowas. Na, scheinbar nur hier, hihi, das kennt man aus Deutschland so ja gar nicht, nicht, ja. Nee und dann sollte ich letztens meinen Ausweis zeigen, glaubst du nicht, ich dachte, die wissen hier doch gar nicht, was ein Ausweis ist! Jaja, ist halt so exotisch hier, nicht? Genau, haha, hmm...






Ich wäge ab, ob es sehr gefährlich ist, jetzt aus dem Auto zu springen. Zac, der junge malaiische Fahrer fährt 120. Könnte weh tun, denke ich, und so muss ich weiter zuhören. Endlich ist die Brücke in Sicht. Sie bringt uns auf die Insel, auf der kilometerweit Palmen stehen. Eine einzige riesige Plantage! Es ist ernüchternd. Und einsam. Kein Mensch weit und breit, nur ein Affe, der in aller Seelenruhe über die Straße schleicht und für den Zac scharf in die Bremsen treten muss. "Du ju no, wär se piepel ar, Säck?" Frau Schranzel-Weihmacher spricht offensichtlich kaum Englisch, Zac kennt das schon: "No, Ma'am." Ich kann eine tiefe Abneigung in seiner Stimme hören. Also, der weiß auch nie, wo was ist, der schreibt immer nur Überstunden auf, das darf der gar nicht, aber wir sind dann ja auch großzügig, mein Mann und ich, wir gucken da dann auch nicht so drauf. Die verdienen hier ja auch nichts, hihi, ja, genau, hm.

Stille. Ein Affe. Frau Schranzel-Weihmacher zieht Lippenstift nach.

Ich entdecke plötzlich eine kleine Hütte hinter den Palmen und bitte Zac, zu halten. Während meine neue Freundin sich noch die Nase pudert, treffe ich auf ein paar junge Männer, die mich mit großen Augen anstarren. Ich starre zurück. Wir mögen uns. Holzfiguren schnitzen sie hier, den ganzen Tag lang und verkaufen sie dann für ein paar Ringgit in der Stadt. Bröckelndes Englisch erschwert unsere Unterhaltung, aber zum Glück hat Mensch einen Körper, der da einiges wieder wett macht.


So wie bei Zac, der schon wieder mit Frau Schranzel-Weihmacher diskutiert; sie wild gestikulierend im Heck des Wagens, seine Lippen formen nur ein stummes "No, Ma'am". Ich möchte ihn aus seiner misslichen Lage befreien, und versuche bei den Jungs mein Glück: ob auf dieser Insel ein Herr Peon lebe, möchte ich wissen, der berüchtigte Peon, der für seine Holzschnitzereien bekannt ist. Und tatsächlich, da springt einer aus der Gruppe auf und winkt; wir sollen ihm folgen. Ich verabschiede mich von den anderen und lasse den nächsten Wortschwall der Kartoffelfrau über mich ergehen. Zac grinst mich im Rückspiegel an. Wir fahren zu Peon...

Fortsetzung folgt...
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Traurige Tropen

03:13 Edit This 0 Comments »
Traurige Tropen

Seinem Bewohner ist es egal, wie er heißt. Wir Menschen nennen ihn Merbau und holzen ihn zu unseren Zwecken ab. Der Rohstoff wird gewinnbringend  - und meist auf illegalem Wege - in die Industrienationen verschifft.  Die Konsequenzen für Tier und Klima sind verheerend.

Und wieder wird einer getötet. Noch atmet er, als die Säge kreischend ins Holz fährt und seine Zweige wie Gliedmaßen abtrennt. Späne fliegen in alle Richtungen, es kracht und ächzt, es riecht verbrannt. Langsam weicht das Leben aus ihm. Er ist entwurzelt, sein Stamm ist bereits gespalten. Als der Baum noch stand, stark und gesund, produzierte er Tag für Tag den für uns überlebenswichtigen Sauerstoff. Er gab Tieren ein zu Hause und konnte sogar mit seinen Wurzeln das Wasser säubern. Jetzt liegt er am Boden. Zerstückelt, zerkleinert, verstümmelt. Seine Überreste werden von einem Laster abtransportiert, er hinterlässt eine kahle Stelle. Was hier wie in einem schlechten Film anmutet, findet nicht weit von uns im malaysischen Regenwald jeden Tag statt. Doch so kostbar die Bäume für unser Überleben sind, so wertvoll sind sie auch für die Wirtschaft. Der Merbau-Baum, der gerade in die nächstgelegene Holzfabrik gebracht wird, liefert den Rohstoff für Parkettfußboden oder Gartenmöbel. Dafür fallen jedes Jahr allein im malaiischen Sarawak rund 200.000 Hektar Wald zum Opfer. Das ist eine Fläche fast so groß wie das Saarland. Der Merbau-Baum wächst beispielsweise in dem riesigen Belum-Temengor-Waldgebiet, wo es noch weitere 2500 verschiedene Baumarten gibt. Dieses gewaltige Ökosystem ist gerade mal  130 Millionen Jahre jung. 

Traurig blickt der kleine Orang-Utan dem Laster hinterher. Er sitzt auf der kahlen Stelle - dort, wo eben noch „sein“ Baum stand. Hier ist er jeden Tag bis in die dichte Krone geklettert, hat sich von Ast zu Ast geschwungen und stolz über seine Heimat geschaut.  Er ahnt noch nicht, dass er und seine Familie hier schon bald nicht mehr leben kann. Wenn die Malaysian Nature Society (MNS) sich nicht irrt, könnte sein Zuhause schon in zehn Jahren verschwunden sein. Nach Angaben der Naturschutzorganisation bedeutet das nicht nur für die Orang-Utans eine extreme Bedrohung. Auch Elefanten, Nasenaffen und Nashörner müssen den Bedürfnissen der westlichen Welt weichen. Doch mit der Abholzung nimmt das Grauen noch kein Ende: Wenn Wald und Tiere erst mal verschwunden sind, eignet sich der frei gewordene Platz hervorragend für eine weitere Einnahmequelle. Palmöl. Stellen Sie sich vor, Sie besitzen einen Hektar – das sind 100 x 100 Meter - Regenwald. Für diesen Flecken Erde bietet Ihnen jemand etwa 7000 Euro, wenn sie darauf Ölpalmen anpflanzen (keine Sorge, das brauchen Sie nicht selbst tun). Wenn Sie ökologisch denken und sich gegen die Bewirtschaftung entscheiden, erhalten Sie natürlich eine Entschädigung: 700 Euro aus den internationalen Klimakrediten für den Walderhalt. Wie würden Sie sich entscheiden? Den Betreibern der Palmölplantagen stellt sich diese Frage nicht. Schließlich gehört Malaysia zu den führenden Exporteuren. Zusammen mit Indonesien beliefert das Land rund 85 Prozent des Weltmarktes. Das Öl wird zum Beispiel genutzt, um Papier herzustellen, Sie können es aber auch in Ihrer Lieblingsschokolade und beinahe jedem Waschmittel finden. 

Der Merbau-Baum hat gerade die malaiische Grenze überquert, als in diesem Moment am anderen Ende der Welt der Mitarbeiter eines Möbelhauses sein Emailpostfach öffnet und die Bestellungen der Woche überprüft. Eine Familie aus Hamburg möchte einen Tisch aus dem begehrten Holz kaufen und erwartet die Lieferung des Möbelstücks am Ende des Monats. Weder die Familie noch der Mitarbeiter ahnen, dass das Holz für diesen Tisch illegal importiert wurde. Der Einzelhandel verlässt sich meist auf die Angaben der Lieferanten. Und da es bis heute kein EU-weites Gesetz gibt, das die Einfuhr von Tropenholz regelt, kann die Herkunft kaum nachgewiesen werden. Für die Zwischenhändler ist es also ein Leichtes, sich an den dürftigen Vorschriften vorbei zu mogeln. Solange es keine einheitliche Regelung gibt, kann die boomende Holzindustrie weiterhin ihre utopischen Gewinne einfahren. Für den Regenwald in Malaysia wird das verheerende Folgen haben. Bereits 2002 dokumentierte die MNS Erdrutsche und die Verschlammung von Flüssen – einzig und allein die Folgen der Abholzung. 

Vermutlich ahnte der kleine Orang-Utan das alles nicht, als er mit ansah, wie „sein“ Baum abtransportiert wurde.  Und während sich die hamburgische Familie zum Dinner um ihren neuen Esstisch versammelt, streunt er durch die wenigen Bäume, die ihm noch geblieben sind. Er ist auf der Suche. Nach ein bisschen Ruhe. Und vor allem – einem Zuhause.


Marthe Rennert





homeless and welcome

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Ich bin obdachlos. Wegen unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten hat mich meine Mitbewohnerin heute spontan rausgeschmissen. Jetzt sitze ich mit einem 18-Kilo schweren Koffer auf der Straße, irgendwo in Asien. Der Schweiß rinnt mir übers Gesicht während ich versuche, mir meine Situation klar zu machen. Wenigstens für ein paar Nächte kann ich bei einem Bekannten unterkommen. Letzte Nacht haben wir zusammen zwei Flaschen Rotwein geleert, die ich jetzt bitter bereue. Die Sonne erreicht gerade ihren höchsten Punkt und brennt unbarmherzig auf mich hinab. Das bisschen Schatten der Palmen erscheint mir wie Hohn. Aber alles Jammern nützt hier nichts, denke ich, und wähle seufzend die Nummer der Taxizentrale. Ich weiß schon was mich erwartet; es ist immer das gleiche Spiel. Mein Schulenglisch hat mich nicht auf die verschiedenen Akzente in anderen Ländern vorbereitet – die Sprachbarrieren zwischen mir und Asien sind manchmal wirklich komisch:  „Wärle julle wonne go-hä?“ Was so viel heißen soll wie „where do you want to go?“ Ich nenne Zielort und „wärle julle steie“? – wo ich gerade bin, wiederhole das Ganze noch drei Mal und werde in 5 Minuten wissen, ob ich verstanden wurde.
 Ich wurde nicht verstanden. Nach einer halben Stunde sitze ich unverändert schwitzend neben meinem Koffer und rauche eine nach der anderen. Da fällt mir ein, dass ich die Privatnummer von einem Taximann habe! Letztens hat der mich gefahren und hatte kein Wechselgeld. Also habe ich ihm versprochen, wieder anzurufen und bei der nächsten Fahrt zu bezahlen. Gesagt, getan. Weitere 15 Minuten später kommt er um die Ecke. Ungläubig starre ich von meinem Koffer zu ihm und seinem „Taxi“ - ein Moped! - und wieder zu meinem Koffer. Doch der wird davon nicht kleiner und ich sehe ein, dass das unmöglich funktionieren kann. Ich unterdrücke eine Träne der Verzweiflung, begleiche meine Schulden und  rufe noch einmal in der Zentrale an.
 „Wärle julle steie?“
„ Jalan Bukit Desa!“
„Wääärle?“
„What?!?“
„Wärle julle steie!“
„Eille steie in the Jalan Bukit Desa?!“
„Aaah!! Jalan Bukit Desa! Ok, faiv minits.“
Jetzt kann ich wieder lachen. Wer hat damals eigentlich gesagt, die korrekte Grammatik im Englischen sei die Basis einer jeden Konversation?! Es kann doch so einfach sein!! 
Tatsächlich werde ich wenig später abgeholt und erreiche endlich mein neues Zuhause. Einem Kollaps nahe ziehe ich mein Gepäck über den Innenhof und bleibe an einer Treppe stehen, die ich nie, niemals überwinden kann. Kami ist noch nicht zu Hause; also setze ich mich trotzig auf die unterste Stufe und warte. Da kommt plötzlich ein netter junger Mann ums Eck, schnappt sich kurzerhand meinen Koffer als wäre er        ein Handtäschchen und fragt, wohin ich denn möchte. Ich glaube mich an die Apartmentnummer  zu erinnern, nenne sie ihm und stehe wenig später neben ihm  im Fahrstuhl. Und in diesem Moment dämmert es mir, warum der junge Mann so freundlich war, denn er fragt, ob ich schon mal so eine richtig gute Massage bekommen hätte… Ich wäge ab, welche Antwort mich am schnellsten aus dieser Situation befreit: Ja, danke, hatte ich schon mal oder nein, und ich will auch keine. Ich entscheide mich für Letzteres, schon siegessicher, als er in einem Schwall aus Worten anfängt, von seiner großartigen Technik zu schwärmen, die echt nicht weh tue und die total gesund sei und die ich unbedingt mal ausprobieren müsse; er hätte auch gerade Zeit. Ich bleibe freundlich aber bestimmt, schnappe meinen Koffer und flüchte aus dem Fahrstuhl. Nur leider war das die falsche Etage – ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wo die Wohnung war! Hier sieht alles gleich aus! Während ich noch in meinem Gedächtnis krame, steht der junge Mann schon wieder hinter mir, meinen Koffer geschultert und verheißungsvoll grinsend. Die Situation ist so grotesk, dass ich lachen muss und nicht mehr aufhören kann. Ich stehe vor ihm, halte mir den Bauch, und versuche ihm zu erklären, was denn eigentlich so lustig ist. Er lacht mit und so stehen wir noch einige Zeit wie bestellt und nicht abgeholt zwischen den Fahrstühlen und gackern wir die Hühner. Auf der weiteren Suche nach der richtigen Wohnung in diesem riesigen Gebäude lernen Kelvin und ich uns besser kennen. Er hört auf, mir seine Massage aufzudrängen und ich bin dankbar für seine Hilfe.




mein neues Zuhause - mit Palmengarten und Privatkonzert






Jetzt wohne ich seit zwei Tagen bei Kami und lerne mehr über die iranische Kultur als in jedem Geschichtsbuch steht. Wir sitzen nachts  am Pool, die Beine im kühlen Wasser, durch die Palmen blinken einsame Sterne und die immer noch andauernde Hitze mischt sich bald schon mit dem Rotwein im Blut. Habe ich schon mal erwähnt, dass das Leben einfach nur großartig ist?! 

Der Verkehr und ich.

05:14 Edit This 0 Comments »
Ich stehe unter einer Achsel. Die daraus sprießenden Haare kommen meinem Gesicht bedenklich nahe. Es riecht. Ich atme durch den Mund und drehe meinen Kopf so weit wie nur irgend möglich aus der Gefahrenzone. Der Bus ist so überfüllt, dass wir bei WettenDass mitmachen könnten: Wie viele Asiaten passen rein und wie lange überlebt das die Deutsche? 
Jemand steht auf meinen Fuß, neben mir wird gehustet, die Achsel kommt schon wieder näher. Der Busfahrer passt sich dem stockenden Verkehr an: bremsen, anfahren, bremsen, anfahren, bremsen. Dem macht das auch noch Spaß, denke ich gallig und verlagere mein Gewicht auf das andere Bein. Seit einer Stunde mache ich das und wir sind unserem Ziel noch keine 100 Meter näher gekommen. Die Luft ist trotz Klimaanlage so dick wie meine geschwollene Wade, und ein Ende ist nicht in Sicht. Anfahren, bremsen. Ich versuche herauszufinden, wo wir gerade sind und ob ich den Rest nicht laufen könnte. Doch die Haltestellen haben ja keine Namen, fällt mir ein, und gleich sehen sie auch noch alle aus. Ich lasse meinen raffinierten Plan fallen und ergebe mich meinem Schicksal. Der böse Busfahrer hält mitten auf der Straße, um noch ein paar Inder mitzunehmen. Es ist ja reichlich Platz, denke ich empört, als sich die Masse hinter mir plötzlich bewegt: Jetzt sehe ich meine Chance, der Achsel zu entkommen: ein (!) Mensch steigt tatsächlich aus! Ich habe die Lücke schon im Visier, boxe den hustenden Chinesen weg, streife gerade so an der Achsel vorbei - und ergattere mit einem kleinen Hechtsprung den ersehnten Platz!! - Doch im selben Moment der Erleichterung werde ich augenblicklich für meinen Egoismus bestraft. Die Haltegriffe schlagen im Takt des gemeinen Busfahrers gegen meinen Kopf. Anfahren, Haltegriff schlägt Kopf, bremsen. Anfahren... Ich gebe jegliche Hoffnung an ein bisschen Stehplatzluxus auf und starre resigniert aus dem Fenster. Stop! Ist das nicht der Weg zu dem Supermarkt um die Ecke? Mein heiß ersehntes Ziel, meine erklärte Liebe in diesem Moment? Nicht ohne den Busfahrer in die Hölle zu schicken, springe ich bei der nächsten Möglichkeit raus und - natürlich war es die falsche Haltestelle. Ich habe mich, wie immer, getäuscht und stehe jetzt irgendwo im Nirwana. Der Bus hüllt mich zum Abschied noch in eine stinkende Abgaswolke und ich beginne leise schimpfend zu laufen. Kein Supermarkt in Sicht und meine Kehle beginnt bereits, auszutrocknen. Einigen Fußmarsch später tut sich vor mir, einer Oase gleich, ein kleiner Stand auf, an dem frisches Obst verkauft wird. Röchelnd und hustend erreiche ich ihn mit letzter Kraft und kaufe eine Tüte Weintrauben. Während ich die Fruchtstückchen aufspieße, versuche ich dem Verkäufer zu erklären, wohin ich will.  Er lächelt die ganze Zeit und nickt freundlich. Allerdings auch dann noch, als ich ihm eine Frage stelle. Ich kapituliere und will ein Taxi anhalten, obwohl das gegen meine Prinzipien ist. Immerhin hatte ich mir eine nicht billige Monatskarte für den hervorragenden öffentlichen Nahverkehr gekauft! 
Doch alle guten Vorsätze sind verworfen, als ich beinahe auf dieses Ungeheuer trete! Das gibt mir den Rest und ich nehme sofort das nächstbeste Taxi! Im Nachhinein glaube ich ja, sie war tot... aber in diesem Moment bin ich sicher, es will mich töten. Völlig fertig mit der Welt sitze ich nun endlich im Taxi Richtung Supermarkt. Der Verkehr wird flüssiger, ich entspannter. Da die Landschaft  außer menschenfressenden Schlangen nicht allzu viel hergibt, studiere ich die Hinweise für die Fahrgäste. Sie beschreiben detailliert, wie der Fahrer sich zu verhalten und sogar wie er auszusehen hat! "Well dressed" steht da, oder "always kindly". Gut, denke ich, während der Fahrer auf einmal beginnt, gegen seine Scheibe zu schlagen! Dann haut er sich selbst mit der flachen Hand ins Gesicht und mir wird langsam Angst und Bange. Was soll denn das?!  Die Antwort schwirrt summend an meinem Ohr vorbei: eine Mücke! Aber nicht die nette kleine deutsche Mücke, sondern ein ausgewachsenes Riesenbiest mit richtigen Reißzähnen! Ich weiche aus, links, rechts - das Scheusal versucht mich zu beißen! Ich fuchtele wild mit den Händen in der Luft und katapultiere es damit zurück zum Fahrer. Der macht kurzen Prozess und klatscht das Ding an die Fensterscheibe, wo es einen großen schmierigen Fleck hinterlässt und langsam an der Scheibe herunter gleitet. Mir ist schlecht. So schlecht, dass ich nur eine Packung Milch im Supermarkt kaufe.. 
Auf dem Weg nach Hause nehme ich wieder den Bus. Keine Achsel diesmal, unter der ich stehen muss. Dafür bin ich eine ganze Stunde einem Blick ausgesetzt, der mich ernsthaft an mir selbst zweifeln lässt! Hat man denn ein Baby schon mal so gucken sehen??!!





20:59 Edit This 1 Comment »
Ich bin verliebt! Mit seinen Krallen könnte er mich zwar ernsthaft verletzen. Und ein Hieb mit seiner Pranke würde... aber ich kann seinen Atem riechen, als er seinen Kopf zu mir dreht. Seine winzigen Augen schauen mir direkt ins Gesicht, seine rauhe Zunge fährt über meine Haut. Sie fühlt sich an wie Schmirgelpapier. Er leckt die Milch aus meiner Hand, als würden wir uns schon ewig kennen. Ungläubig sitze ich neben dem Bären, den ich mein Leben lang nur hinter Gittern gesehen habe. Wie kann ein Tier mich so glücklich machen? Für ein paar Minuten vergesse ich die schaulustigen Menschen am Zaun hinter mir. Ich bin hingerissen!
Die "World of Nature" meint es gut mit den Tieren. Ein Zoo in Deutschland scheint dagegen ein echtes Gefängnis. Natürlich sind die Bewohner hier auch eingesperrt. Aber ich habe nicht dieses beklemmende Gefühl, das sich einstellt, wenn ein Tier offensichtlich nicht glücklich ist. Die Elefantenfarm ist einer dieser Orte, die nicht existieren dürften. Meine Vermutungen haben sich bestätigt. Als wir zur offiziellen Zeit dorthin fahren, finden wir kaum noch einen Parkplatz. Hunderte Menschen sind in das Dorf eingefallen. Schreiende Kinder rennen umher, Väter fotografieren, Mütter schwitzen unter ihren Kopftüchern. Die meisten sind hier Moslems, aber auch einige Chinesen und sogar eine englische Familie kann ich sehen. Es ist laut. Es ist heiß. Es fühlt sich falsch an. Trotzdem bleiben wir, schließlich wurde uns einiges versprochen. Meine Stimmung sinkt mit der fortschreitenden Zeit, die wir warten. Die Männer, die hier arbeiten, haben Stöcke und den berühmten "Elefantenhaken", mit dem sie die Tiere lenken können. Er verletzt sie nicht, weil er stumpf ist. Aber als ich sehe, wie die Elefanten ins Wasser getrieben werden, reicht es mir. Unter wildem Applaus und begeisterten Rufen der Zuschauer müssen die Tiere tauchen und kleine Fontänen in die Luft prusten. Ich bin wütend. Das gehört so einfach nicht. Ich dränge meine Begleiter, zu gehen. Kurz entschlossen gehe ich zum Büro des Mannes, wo wir anfangs eine "Spende"  gegeben haben. Kein Eintritt. Es war uns überlassen, wie viel wir geben. Bei so vielen Besuchern täglich müssen die hier ein Vermögen machen. Nicht einfach in einem Land wie diesem. Welchen Grund haben sie also, die Tiere wieder auszuwildern? Der Mann ist nicht da. Ich konfrontiere die zwei Frauen an der Rezeption mit meinen Fragen. Es ist offensichtlich, dass sie mir nicht die Wahrheit sagen. Natürlich werden die Elefanten wieder frei gelassen, natürlich geht es ihnen gut hier. Das sagen sie, während ein paar Meter weiter ein kleiner Babyelefant angekettet im Schatten die immer gleiche Bewegung macht. Links rechts links rechts links rechts... Ich glaube, ich fühle mich in diesem Moment wie er. Hilflos. 
Als wir ins Auto steigen, höre ich kreischende Kinder und tosenden Applaus. 

it's jungle time!

22:32 Edit This 1 Comment »
Eins vorweg: Ich trage eine dauerhafte Hose aus purpurrotem Sonnenbrand und mein Körper ist ein einziger angeschwollener Mückenstich. (Ich habe ein Handtuch über meinen Spiegel gehängt, um dieses Elend nicht mit ansehen zu müssen.) Der Wecker klingelte heute morgen skrupellos um 5.30 Uhr, die Schlummertaste wollte nicht so wie ich wollte und der Kaffee war leer. Aber all die Qualen haben sich mehr als gelohnt! Mit dem Sonnenaufgang fahre ich zum vereinbarten Treffpunkt, wo mich zwei junge Iraner abholen, die ich über einen meiner Kollegen kennen gelernt habe. Wobei 'kennen lernen' übertrieben ist, genau genommen habe ich die beiden noch nie gesehen - ein Blind Date also, ein Tag mit zwei Fremden mitten im Dschungel. Wir begrüßen uns etwas unbeholfen und sitzen die folgenden 5 Minuten peinlich berührt im Auto und schweigen uns an. Das wird bestimmt lustig, denke ich, und beginne zaghafte Annäherungsversuche. Die Sache wird schnell locker und nach einer halben Stunde fahren wir lachend in Richtung Regenwald. Unser Ziel: die Elefantenfarm. Für die beiden Freizeit, für mich "Arbeit". Zufällig bin ich auf die Seite im Internet gestoßen und war von Beginn an skeptisch. Als Hilfsorganisation für verwaiste Elefanten angepriesen, lassen die Bilder viel mehr eine Touristenattraktion vermuten. Die Sache stinkt auf den ersten Blick bis nach Meppen und ich mache kurzerhand eine Recherchereise daraus. 
Bald schon haben wir die Stadt hinter uns gelassen und fahren durch eine faszinierende Landschaft: sattgrüne Täler und Berge tun sich vor mir auf, unter den riesigen Bäumen ducken sich kleine Holzhütten, vor denen die Menschen Tee trinken oder Unkraut jäten. Kleine Wölkchen ziehen an uns vorbei, die Luft flimmert vor Hitze. Wir verlassen die Zivilisation. Als wir ankommen, müssen wir weit über dem Meeresspiegel sein, denn hier ist die Luft dünn und so feucht, dass sich augenblicklich ein Wasserfilm auf die Haut legt. Die Farm hat noch nicht geöffnet. Wir gehen trotzdem rein und schauen uns ein wenig um. Ein kleines Dorf aus schäbigen Häuschen und verschlungenen Wegen führt uns zu einem großen Platz. Dort stehen zwei winzige Elefantenbabys angekettet im Schatten. Ich hole ein paar Nüsse aus meiner Tasche und halte sie ihnen vor ihre langen grauen Rüssel. Die beiden tasten skeptisch damit an mir herum und hinterlassen feuchte Flecke auf meiner Haut. Die Nuss wird wie von einem Staubsauger eingeatmet und mit einem imposanten Luftdruck in den Elefantenmagen katapultiert. Obwohl ich bereits Mitleid mit den beiden habe, macht es mich doch glücklich, so nah bei ihnen zu sein. Ich traue mich weiter vor und kraule sie hinter den dicken, schuppigen Ohren. Da kommt ein Mitarbeiter um die Ecke und bittet uns nett aber bestimmt, zu gehen und in zwei Stunden wieder zu kommen, wenn die Farm offiziell öffnet. Wir gehorchen und beschließen, den Regenwald unsicher zu machen. Es dauert nicht lange und wir sind vollends von den grünen, nassen Blättern verschlungen. Lianen hängen von den meterhohen Bäumen herab, es topft und dampft im Inneren des Dschungels. Die befestigte Straße haben wir schon längst verlassen und streunen jetzt durch das dichte Buschwerk. Die Geräuschkulisse dabei ist atemberaubend. Es zirpt und zischt, kreischt und brüllt um uns herum. Mir wird jetzt doch etwas mulmig. Bilder von Tigern und giftigen Schlangen drängen sich in mein Gedächtnis. Mit meinen Flipflops fühle ich mich in dem hohen Gras nicht besonders sicher vor kriechenden Tieren, die ganz bestimmt auf meine Zehen aus sind! Ich sehe mich schon im Maul eines Bären oder einem anderen bösen Ungeheuer, das es hier mit ziemlicher Sicherheit gibt und dränge die Jungs, doch lieber schnell zu verschwinden. Von Stichen übersät aber lebendig erreichen wir die Straße. Es ist noch immer viel Zeit und so entscheiden wir, dem Schild zu folgen: "World of Nature" - klingt vielversprechend. Auf dem Weg dorthin raschelt es über mir in den dichten Baumkronen, die sich über uns wie ein Dach schließen. Affen! Mindestens 5 unserer Vorfahren hangeln sich direkt über meinem Kopf von Ast zu Ast und kreischen ohrenbetäubend laut. Ich bin begeistert! So nah und so "echt" war ich der Natur noch nie. So schnell wie sie gekommen sind so sind sie wieder verschwunden und wir kommen bald in der "Welt der Natur" an.

Alles neu macht der Mai

05:34 Edit This 0 Comments »

..wenn auch spät, aber besser als nie. 



Habe mich mit dem widerspenstigen html-Männchen gestritten und wir haben uns geeinigt: Ich ändere mein Layout, dafür erlaubt er jetzt endlich Kommentare zu schreiben zu lassen!
Ich freu mich schon auf eure Meinungen! Wünsche euch noch viel Spaß weiterhin und -
melihat anda akan (bis bald!)

PS. Wenn ich ihm das nächste mal begegne, trete ich ihn so lange, bis ich ein Gästebuch bekomme!

zu Besuch bei Buddha

06:42 Edit This 0 Comments »
Die letzten Sonnenstrahlen scheinen genau auf den riesigen goldenen Tempel. Die schräge Musik tut ihr Übriges zu dieser märchenhaften Szenerie. Ich stehe wie angewachsen davor und versuche, diese fabelhafte fremde Welt in mich aufzusaugen. Jetzt folge ich der Musik. Sie kommt aus dem Inneren des Tempels und ich möchte unbedingt hinein. Aber darf ich das überhaupt? Vielleicht opfern die da gerade jemanden? Schmarren, denke ich und sehe mich um. Aha, ich entdecke ein Schild - mit etlichen Verboten. Ich darf nicht telefonieren, kein Eis essen, nicht trinken, pöbeln oder randalieren. Nun, ich bin mir nicht sicher, ob ich alles richtig interpretiere.. der Zeichner dieser Bilder war nicht allzu begabt. Ist das da ein Deutscher? Achso, nein, man darf nur keine Sandalen mit Socken tragen. Minikleider im Übrigen auch nicht. Ich schaue skeptisch an mir herunter - ein Minikleid. Doch meine Schultern sind bedeckt und so wage ich mich weiter vor. Es geht rund 100 Stufen hinauf und dort will ich hin. Instinktiv ziehe ich meine Flipflops aus und will gerade den ersten Schritt tun, als ein Mann im Kleid auf mich zugelaufen kommt. Aufgeregt rudert er mit den Armen in der Luft und deutet auf etwas hinter mir. Um Buddhas Willen, denke ich albern und drehe mich um, ob nicht ein anderer gemeint ist. Der Mann im Kleid ist ein Mönch und möchte, dass ich mir die Füße wasche! Natürlich. Wie ungeschickt von mir. Schuldbewusst halte ich meine Zehen in das Becken und bin nun endlich bereit für meinen ersten Tempelgang.
Mit jedem Schritt wird die psychedelische Musik lauter und schräger. Sie macht mich benommen. Nein halt, das sind die Räucherstäbchen, die überall qualmen! Es riecht nach Moschus und Erde, Rosen und exotischen Düften, die ich nicht zuordnen kann. Oben angekommen eröffnet sich vor mir die Zeremonie und ich tauche augenblicklich in eine andere Welt. Zwei halbnackte Männer schmieren den Betenden irgendwelches Zeug auf die Stirn, die Menschen legen die Hände über dem Kopf zusammen und verbeugen sich in Richtung des Elefanten - Ganesha, der Gott der Weisheit.

Ich merke, dass ich ein bisschen den Mund offen habe und etwas unbeholfen mitten im Tempel stehe. Um wenigstens irgendetwas zu tun, lege auch ich die Hände über dem Kopf zusammen und murmele etwas vor mich hin. "Hallo Buddha" oder etwas ähnlich Sinnloses.
Die halbnackten Männer wedeln weiter fleißig Weihrauch in meine Richtung und mir wird langsam schwindelig. Doch endlich setzen sich die Menschen in Bewegung und folgen den Mönchen im Entenmarsch. Ich schließe mich ihnen an und wir laufen einmal um die Statue herum. Die Gläubigen küssen ihre eigene Hand, um damit die Blumen zu berühren, die überall herumhängen. Wir kommen an einem Brunnen vorbei, in dem kein Wasser fließt sondern eine Erbse liegt, klein und vertrocknet. Eine Frau vor mir berührt sie und ich tue es ihr nach, obwohl ich nun wirklich keine Ahnung habe, warum.
Kaum dass wir wieder bei der Statue ankommen, beginnt das Prozedere von neuem. Zeug auf die Stirn schmieren, beten, laufen. Ich kann nicht mehr. Dem Erstickungstod durch Räucherware nahe laufe ich nach draußen. Während ich meine Flipflops zwischen einem Haufen Schuhe suche, beschließe ich, mich bald näher mit dieser Religion auseinander zu setzen.
Ich tauche wieder in den Nightmarket ein und lasse mich mit der Menge treiben. Es riecht nach Fisch und Hähnchen und ich bekomme plötzlich gnadenlosen Hunger. Während ich nach etwas umschaue, das ich identifizieren kann, saust ein Beil - zack! - nieder und ein Hähnchenschädel landet fast vor meinen Füßen! Ich kann nicht glauben, dass das gerade passiert ist und sehe mich nach dem armen Tier um. Das gerupfte kopflose Huhn liegt auf einem Holzstamm und wird gerade in mundgerechte Stücke gehackt. Mahlzeit, denke ich und lasse meinem Magen einige Zeit, sich zu erholen, bis ich an einen Obststand gehe. Hier gibt es Früchte, die zwar teilweise aussehen wie Tiere, aber dafür umso besser schmecken! Der Verkäufer erklärt mir wie ich die Mangostan-Frucht öffne und esse. Ein Feuerwerk explodiert in meinem Mund! Die Konsistenz einer Lychee mit dem Geschmack einer Kirsche zergeht auf meiner Zunge - was für ein Erlebnis! Ich muss lachen, so gut schmeckt es! Ohne zu zögern kaufe ich ein ganzes Kilo, das ich auf dem Nachhauseweg fast gänzlich vertilgt haben werde.

In der Nacht träume ich von kopflosen Hühnern und vertrockneten Erbsen.






von süßen Früchtchen

10:23 Edit This 0 Comments »
 Andere Länder, andere Sitten.
Dieser altkluge Spruch trifft heute den Nagel auf den Kopf. Nachdem ich meinen Artikel über die Lun Bawang mühselig fertig geschrieben hatte, musste ich dringend raus. Einfach weg, mich auf andere Gedanken bringen. Nach der obligatorischen halben Stunde in meinem Bushäuschen steige ich dort aus, wo es mir gefällt. Es ist 17 Uhr, Zeit für Malaysias Tea Time. Nur jetzt, und nur für einige Stunden werden auf der Straße frittierte Bananen und Frühlingsrollen angeboten. Sie triefen vor Fett, aber ich kann nicht daran vorbei gehen. Mampfend, mit einer kleinen braunen Tüte, in denen die Köstlichkeiten schnell weniger werden, marschiere ich los. Ohne Ziel. Die Hitze ist heute wieder unerträglich und es fühlt sich an, als würde das Fett in mir augenblicklich verdampfen und aus sämtlichen Poren fließen. Das ist natürlich Quatsch, denke ich faselnd vor mich hin und bemerke dabei nicht, dass ich in einer Gegend gelandet bin, in der man lieber nicht sein möchte. Über meinem Kopf knattert die Straßenbahn hinweg, ich schaue ängstlich nach oben und sehe einen dunkelgrauen Himmel über mir. Gruselig. Es herrscht eine gespenstische Atmosphäre. Ich presse ein Stück frittierte Banane an dem Kloß in meinem Hals vorbei und drehe mich nach allen Seiten um. Klack, klack, klack höre ich es auf mich zukommen. Mein Herz beginnt im Takt zu schlagen - ist das vielleicht mein Herz? Klack, klack, klack. Ich halte den Atem an und lausche. Wo sind all die Menschen? Und die Autos? Um mich herum nur die Bahntrasse und graue Hochhäuser. Hat sich da eine Gardine bewegt? Klack, klack. Jetzt muss es gleich um die Ecke biegen. Ich überlege noch, ob ich besser wegrennen soll, doch die Neugier ist stärker. Ich starre in die Richtung, aus der das Geräusch kommt und plötzlich biegt ein weißer Stock um die Ecke. Am Ende des Stocks läuft ein winziger Chinese, so klein, so winzig klein, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss. Es sieht grotesk aus, wie er seinen viel zu großen Stock spazieren führt. Dann sehe ich, dass er eine Sonnenbrille trägt, obwohl es doch fast schon dunkel ist. Ein Blinder! Sowas gibt's hier? frage ich mich und schäme mich im selben Moment für diesen Gedanken. Klackend geht der kleine Mann gekonnt an mir vorbei und verschwindet wenige Meter weiter in einem Hauseingang. Ich schaue ihm hinterher und sehe ein goldenes Schild neben der Tür: Malaysian Association for the Blind lese ich dort und habe in diesem Moment ein neues Thema für meine Zeitung.
Beschwingt durch diesen Einfall laufe ich los, in Gedanken schon die Story schreibend. Während ich so vor mich hin überlege, Ideen verwerfe und neue kreire, gerate ich einen Stau. Plötzlich ist die Straße wieder voll von Autos. Es wird gehupt und gepöbelt, gestikuliert und geschrien. Kurzerhand beschließe ich, die Ursache für dieses Chaos zu finden und folge dem Verkehr. Nicht viel weiter biege ich in eine Straße, die bunt beleuchtet ist und in der tausende Menschen ihre Verkaufstischchen aufbauen, Waren auspacken und um die besten Plätze streiten. Ich bin ja seit Chinatown einiges gewöhnt, aber das hier lässt mich beinahe die Fassung verlieren. Ein altbekanntes Kribbeln breitet sich in mir aus und ich stürze mich in die Menge. Den verblüfften Gesichtern nach zu urteilen haben diese Menschen hier noch nie eine weiße Frau gesehen, doch an diese Blicke bin ich mittlerweile gewöhnt. Langsam dämmert es mir auch, wo ich hier bin. Natürlich, der Nachtmarkt! Von allen Reiseführern beschrieben und zerrissen werde ich nun selbst Zeugin dieses Spektakels. Es dampft und brodelt in den Töpfen, billige Plastikware liegt auf den Tischen, Obst- und Gemüsestände reihen sich aneinander. Es ist laut, bunt und hektisch. Ich spaziere eine Weile staunend durch die Menschen, bis die Straße abrupt endet. Hier ist es ruhiger und ich höre seltsame, schräge Musik. Ich werde so stark geblendet, dass ich mir die Hand vor Augen halte...

Fortsetzung folgt. Es ist 1.20 Uhr nachts! Ich muss schlafen!!

Journalism meets Lun Bawang

20:32 Edit This 0 Comments »
So schnell wie ein ICE sind sie an mir vorbeigerauscht, die Tage hier in Kuala Lumpur. Und so langsam, wie die kleine Nacktschnecke über meinen Balkon kriecht, gewöhne ich mich an das Leben. Es dauert. Alles scheint verkehrt. Die Tür schließe ich falsch herum ab, die Autos fahren links, während ich zuerst nach rechts schaue, um die Straße zu überqueren (nicht zu empfehlen!).


(Frühsport vor meiner Haustür)






Nach den ersten 100 Metern auf dem Weg zu meiner kleinen Bushaltestelle, begegne ich jeden Morgen einer Gruppe chinesischer Frühsportler. Arm- und beinschwingend, dazu singend zelebrieren sie ihre Morgengymnastik. Drollig sieht das aus und ich muss schmunzeln sobald ich um die Ecke gebogen bin. Spätestens jetzt fange ich an zu schwitzen.  Es geht bergauf, die Sonne steigt mit mir und beginnt, ihre brennenden Strahlen auf mich loszufeuern. Von weitem sehe ich schon die Kreuzung, die zur Hauptstraße führt. Hier treffe ich täglich die zwei jungen Männer, die im Schatten eines Baumes auf  Plastikstühlen sitzen, schweigend, rauchend. Ich glaube, sie arbeiten dort, aber so ganz bin ich noch nicht dahinter gekommen. Noch vor einigen Tagen wollte ich - ganz selbstverständlich - bei ihnen ein Taxi bestellen... doch offenbar ist das nicht ihre Aufgabe. Es war beschämend. Seitdem macht sich ein Grinsen breit sobald sie mich sehen. Sie heben die Hand zum Gruß und fragen mich etwas - ich vermute, es ist indisch. Wir haben unsere Begegnung schon ritualisiert. Ich zucke die Achseln, sie lachen. Jaja, macht euch nur lustig, denke ich jedesmal und gehe freundlich lächelnd an ihnen vorbei. 

Ich verstehe ja noch nicht viel hier, aber auf eines kann ich mich ganz sicher verlassen: in jedem Bus gibt es mein ganz persönliches Entertainment-Programm. Ein Flatscreen, der nicht so recht in das scheppernde Gefährt passen will, plärrende Musik und ein Busfahrer, der kein Englisch spricht. Das Abenteuer beginnt. Die Haltestellen draußen haben keine Namen, genau genommen gibt es sie gar nicht. Kein Schild weit und breit, das einem sagt, wo man ist. Keine Durchsage des Busfahrers. Nicht mal ein Halteknopf. Meistens steige ich dort aus, wo es alle anderen tun. Meistens bin ich dann irgendwo im Nirvana. Meistens nehme ich dann ein Taxi.    
...und meistens ist man im Taxi nicht allein...

Mindestens 10 Augenpaare starren mich an. Ich befinde mich irgendwo in Chinatown in einem billigen Kaufhaus. Die Pressekonferenz findet am Plaza Warisan statt. Bis ich feststelle, dass es sich dabei nicht um einen Platz, wie man vermuten würde, sondern dieses schäbige Gebäude handelt, musste ich etliche Menschen fragen, 2 mal Taxi fahren und einmal durch eine verlassene Straße laufen, in der die Türen und Fenster geschlossen wurden sobald ich vorbei kam. Jetzt betrete ich einen winzigen Raum, in dem sich einige junge Frauen schminken, umziehen, sich gegenseitig mustern, um sich dann wieder umzuziehen. Als sie mich bemerken, wird es ganz still und alle sehen mich gebannt an. Ich nicke ihnen freundlich zu und setze mich etwas verunsichert in die vorderste Reihe auf einen der Plastikstühle, wo ich nervös an meinem Handy rumspiele. Plötzlich tritt hinter einem Vorhang eine hochgewachsene Chinesin hervor, läuft strahlend auf mich zu und schüttelt mir begeistert die Hand. Rosalind heißt sie, ist Modedesignerin und hatte mich zu dieser Pressekonferenz eingeladen. Viele Infos habe ich von meiner Redaktion nicht bekommen. Nur, dass es sich bei dem Schönheitswettbewerb um einen Teil des Harvest Festivals handelt, das alljährlich von der indigenen Völkergruppe, den Lun Bawang, gefeiert wird. 
Nach und nach finden sich noch andere Journalisten ein, bis die Konferenz beginnt und ich meine Fragen stellen kann. Die meisten Malaysier sprechen gutes Englisch, doch hier wird die Kommunikation zur echten Herausforderung. Ich lasse Grammatik Grammatik sein und erkläre mit Händen und Füßen, was ich wissen möchte. Nach einer Stunde habe ich die nötigen Infos zusammen, Fotos der Schönheiten im Kasten und eine Einladung zu einem Gala-Dinner in der Hand. Bis nächste Woche soll ich meinen Artikel schreiben. Kein Problem, nur dass ich nebenbei noch 2 andere Berichte abliefern und das Editorial, das Vorwort für meine Zeitung, schreiben muss. 

So lebe ich meine Tage, fahre hierhin und dorthin und komme langsam, aber sicher an. Wie die kleine Nacktschnecke auf meinem Balkon, die es heute morgen endlich über den Blumentopf geschafft hat.