Pulau Ketam - das Dorf auf Stelzen

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Peon hat stahlblaue Augen. Sie leuchten mich an und ich bin sofort verliebt in den kleinen Mann. Da macht es auch nichts, dass er mindestens 90 Jahre alt ist und kaum noch sehen kann. Trotzdem empfängt er mich mit einem herzlichen "You must be an angel!" Ich bin etwas verlegen und schüttele ihm, typisch deutsch, die Hand. Er drückt mir im Gegenzug einen feuchten Schmatzer auf die Wange. Lachend stehen wir zwischen Palmen; Zac und die Kartoffelfrau etwas verlegen daneben, ein Hund jagt Hühnern hinterher. Es ist unfassbar heiß, alle schwitzen. Peon unterbricht die Stille und hüpft wie kleiner Junge zu dem kleinen Holzvorsprung; wir folgen im Entenmarsch. Plötzlich stemmt er eine riesige Holzskulptur aus dem Regal und hält sie uns stolz vor die Nase. Ich bin begeistert! Drei Monate hat er daran gearbeitet, fast blind, aber er macht das schließlich schon Jahre. 
Jaja, sehr exotisch, toll, hm. Die Kartoffelfrau schwitzt unter ihrer dicken Make-Up-Schicht und drängt zum Gehen. Ich schieße schnell noch ein paar Fotos von dem kleinen Mann mit der großen Maske und bin dankbar um diese Begegnung.

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Wir verlassen die Plantage. Frau Schranzel-Weihmacher schlägt vor, auch noch auf die Nachbarinsel zu fahren. "Säck, wi häf tu go to se port sär, du ju no, se pooort!" 
"No, Ma'am." Woher soll er auch wissen, wohin sie will - sie versteht sich ja selbst nicht! Ich übersetze: Zum Hafen wollen wir bitte, irgendwo dort muss eine Fähre sein. Er versteht.
Der versteht aber auch immer nix, der Säck, ich glaub auch, der is nicht so intelligent, weißt du, haha. Das nervt dann auch manchmal, kannst du dir vorstellen, wenn der aber auch immer nix versteht.
Ich seufze, wir erreichen die Fähre. Zac organisiert uns die Tickets und für 50 Cent setzen wir über. Er wartet auf dem Festland, bis wir zurück sind. Welch Erleichterung in seinem Blick!


Wir sind die einzigen Weißnasen weit und breit; die Menschen schauen uns staunend hinterher; ich winke freundlich und sehe mich fasziniert um: das Dorf auf Stelzen ist so bunt, so farbenfroh, so ruhig und friedlich wie ich noch keinen anderen Ort auf dieser Welt gesehen habe. Keine Autos, nur ein paar Fahrrad fahrende Einwohner. Ich bin hin und weg von dieser kleinen Oase. Frau Schranzel-Weihmacher hat offenbar keine Augen für diese Schönheit; sie zieht es vor, eine Freundin anzurufen und durchbricht die Stille mit ihrer quäkenden Kartoffelsprache. Der Dialog ist so platt und stupide, dass ich in einem großen Sicherheitsabstand vorweg laufe, um das Elend nicht mit anhören zu müssen. Auf den kleinen Wegen zwischen den Häusern findet das Leben statt. Frauen mit Kopftüchern sitzen im Schatten und tratschen; bärtige Männer spielen Karten; dazwischen spielen die Kinder Fangen.  Sobald ich an ihnen vorbei gehe, wird alles plötzlich ganz still, sie drehen die Köpfe und flüstern sich etwas zu. Manche winken, andere lächeln, einige schauen weg. Ich fühle mich trotzdem willkommen und winke fröhlich zurück. An jedem Häuschen stehen kleine Schreine mit einer Buddhastatue darin, die von Räucherstäbchen eingenebelt wird. Überall hängen Blumen, leise Musik dringt aus den Haustüren; ich versinke in dieser Welt und genieße -
während Frau Schranzel-Weihmacher noch immer lauthals telefoniert! Langsam werde ich maßlos böse über diese Ignoranz, dieses dümmliche Geschnatter hinter mir und muss mich zurückhalten, sie nicht vom Steg zu schubsen. Da unten im Schlamm kriechen kleine, undefinierbare Tierchen. Ich stelle sie mir mit großen Zähnen vor und wie sie an der Kartoffelfrau knabbern... 
Unsere Fähre legt bald schon wieder ab und während ich noch dem schmucken Dorf hinterher träume, ist Frau Schranzel-Weihmacher ganz in ihrem Element und kaut mir ein Ohr ab. Auf dem Festland wartet der arme Zac auf uns; er grinst, als er mich und meine Miene sieht. Auf dem Rückweg geraten wir noch schön in einen Stau, der meine Nerven und ihre Stimmbänder stark beansprucht. Das Reden nimmt kein Ende, ich möchte mich erschießen und auch Zac ist den Tränen nahe. 
Zuhause angekommen öffne ich eine Flasche Wein und ertränke meine Erinnerungen an die Kartoffelfrau im Alkohol. Jaja, alles so exotisch hier, geistert es mir noch in der Nacht durch den Kopf.



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