Journalism meets Lun Bawang

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So schnell wie ein ICE sind sie an mir vorbeigerauscht, die Tage hier in Kuala Lumpur. Und so langsam, wie die kleine Nacktschnecke über meinen Balkon kriecht, gewöhne ich mich an das Leben. Es dauert. Alles scheint verkehrt. Die Tür schließe ich falsch herum ab, die Autos fahren links, während ich zuerst nach rechts schaue, um die Straße zu überqueren (nicht zu empfehlen!).


(Frühsport vor meiner Haustür)






Nach den ersten 100 Metern auf dem Weg zu meiner kleinen Bushaltestelle, begegne ich jeden Morgen einer Gruppe chinesischer Frühsportler. Arm- und beinschwingend, dazu singend zelebrieren sie ihre Morgengymnastik. Drollig sieht das aus und ich muss schmunzeln sobald ich um die Ecke gebogen bin. Spätestens jetzt fange ich an zu schwitzen.  Es geht bergauf, die Sonne steigt mit mir und beginnt, ihre brennenden Strahlen auf mich loszufeuern. Von weitem sehe ich schon die Kreuzung, die zur Hauptstraße führt. Hier treffe ich täglich die zwei jungen Männer, die im Schatten eines Baumes auf  Plastikstühlen sitzen, schweigend, rauchend. Ich glaube, sie arbeiten dort, aber so ganz bin ich noch nicht dahinter gekommen. Noch vor einigen Tagen wollte ich - ganz selbstverständlich - bei ihnen ein Taxi bestellen... doch offenbar ist das nicht ihre Aufgabe. Es war beschämend. Seitdem macht sich ein Grinsen breit sobald sie mich sehen. Sie heben die Hand zum Gruß und fragen mich etwas - ich vermute, es ist indisch. Wir haben unsere Begegnung schon ritualisiert. Ich zucke die Achseln, sie lachen. Jaja, macht euch nur lustig, denke ich jedesmal und gehe freundlich lächelnd an ihnen vorbei. 

Ich verstehe ja noch nicht viel hier, aber auf eines kann ich mich ganz sicher verlassen: in jedem Bus gibt es mein ganz persönliches Entertainment-Programm. Ein Flatscreen, der nicht so recht in das scheppernde Gefährt passen will, plärrende Musik und ein Busfahrer, der kein Englisch spricht. Das Abenteuer beginnt. Die Haltestellen draußen haben keine Namen, genau genommen gibt es sie gar nicht. Kein Schild weit und breit, das einem sagt, wo man ist. Keine Durchsage des Busfahrers. Nicht mal ein Halteknopf. Meistens steige ich dort aus, wo es alle anderen tun. Meistens bin ich dann irgendwo im Nirvana. Meistens nehme ich dann ein Taxi.    
...und meistens ist man im Taxi nicht allein...

Mindestens 10 Augenpaare starren mich an. Ich befinde mich irgendwo in Chinatown in einem billigen Kaufhaus. Die Pressekonferenz findet am Plaza Warisan statt. Bis ich feststelle, dass es sich dabei nicht um einen Platz, wie man vermuten würde, sondern dieses schäbige Gebäude handelt, musste ich etliche Menschen fragen, 2 mal Taxi fahren und einmal durch eine verlassene Straße laufen, in der die Türen und Fenster geschlossen wurden sobald ich vorbei kam. Jetzt betrete ich einen winzigen Raum, in dem sich einige junge Frauen schminken, umziehen, sich gegenseitig mustern, um sich dann wieder umzuziehen. Als sie mich bemerken, wird es ganz still und alle sehen mich gebannt an. Ich nicke ihnen freundlich zu und setze mich etwas verunsichert in die vorderste Reihe auf einen der Plastikstühle, wo ich nervös an meinem Handy rumspiele. Plötzlich tritt hinter einem Vorhang eine hochgewachsene Chinesin hervor, läuft strahlend auf mich zu und schüttelt mir begeistert die Hand. Rosalind heißt sie, ist Modedesignerin und hatte mich zu dieser Pressekonferenz eingeladen. Viele Infos habe ich von meiner Redaktion nicht bekommen. Nur, dass es sich bei dem Schönheitswettbewerb um einen Teil des Harvest Festivals handelt, das alljährlich von der indigenen Völkergruppe, den Lun Bawang, gefeiert wird. 
Nach und nach finden sich noch andere Journalisten ein, bis die Konferenz beginnt und ich meine Fragen stellen kann. Die meisten Malaysier sprechen gutes Englisch, doch hier wird die Kommunikation zur echten Herausforderung. Ich lasse Grammatik Grammatik sein und erkläre mit Händen und Füßen, was ich wissen möchte. Nach einer Stunde habe ich die nötigen Infos zusammen, Fotos der Schönheiten im Kasten und eine Einladung zu einem Gala-Dinner in der Hand. Bis nächste Woche soll ich meinen Artikel schreiben. Kein Problem, nur dass ich nebenbei noch 2 andere Berichte abliefern und das Editorial, das Vorwort für meine Zeitung, schreiben muss. 

So lebe ich meine Tage, fahre hierhin und dorthin und komme langsam, aber sicher an. Wie die kleine Nacktschnecke auf meinem Balkon, die es heute morgen endlich über den Blumentopf geschafft hat.