homeless and welcome

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Ich bin obdachlos. Wegen unüberwindbarer Meinungsverschiedenheiten hat mich meine Mitbewohnerin heute spontan rausgeschmissen. Jetzt sitze ich mit einem 18-Kilo schweren Koffer auf der Straße, irgendwo in Asien. Der Schweiß rinnt mir übers Gesicht während ich versuche, mir meine Situation klar zu machen. Wenigstens für ein paar Nächte kann ich bei einem Bekannten unterkommen. Letzte Nacht haben wir zusammen zwei Flaschen Rotwein geleert, die ich jetzt bitter bereue. Die Sonne erreicht gerade ihren höchsten Punkt und brennt unbarmherzig auf mich hinab. Das bisschen Schatten der Palmen erscheint mir wie Hohn. Aber alles Jammern nützt hier nichts, denke ich, und wähle seufzend die Nummer der Taxizentrale. Ich weiß schon was mich erwartet; es ist immer das gleiche Spiel. Mein Schulenglisch hat mich nicht auf die verschiedenen Akzente in anderen Ländern vorbereitet – die Sprachbarrieren zwischen mir und Asien sind manchmal wirklich komisch:  „Wärle julle wonne go-hä?“ Was so viel heißen soll wie „where do you want to go?“ Ich nenne Zielort und „wärle julle steie“? – wo ich gerade bin, wiederhole das Ganze noch drei Mal und werde in 5 Minuten wissen, ob ich verstanden wurde.
 Ich wurde nicht verstanden. Nach einer halben Stunde sitze ich unverändert schwitzend neben meinem Koffer und rauche eine nach der anderen. Da fällt mir ein, dass ich die Privatnummer von einem Taximann habe! Letztens hat der mich gefahren und hatte kein Wechselgeld. Also habe ich ihm versprochen, wieder anzurufen und bei der nächsten Fahrt zu bezahlen. Gesagt, getan. Weitere 15 Minuten später kommt er um die Ecke. Ungläubig starre ich von meinem Koffer zu ihm und seinem „Taxi“ - ein Moped! - und wieder zu meinem Koffer. Doch der wird davon nicht kleiner und ich sehe ein, dass das unmöglich funktionieren kann. Ich unterdrücke eine Träne der Verzweiflung, begleiche meine Schulden und  rufe noch einmal in der Zentrale an.
 „Wärle julle steie?“
„ Jalan Bukit Desa!“
„Wääärle?“
„What?!?“
„Wärle julle steie!“
„Eille steie in the Jalan Bukit Desa?!“
„Aaah!! Jalan Bukit Desa! Ok, faiv minits.“
Jetzt kann ich wieder lachen. Wer hat damals eigentlich gesagt, die korrekte Grammatik im Englischen sei die Basis einer jeden Konversation?! Es kann doch so einfach sein!! 
Tatsächlich werde ich wenig später abgeholt und erreiche endlich mein neues Zuhause. Einem Kollaps nahe ziehe ich mein Gepäck über den Innenhof und bleibe an einer Treppe stehen, die ich nie, niemals überwinden kann. Kami ist noch nicht zu Hause; also setze ich mich trotzig auf die unterste Stufe und warte. Da kommt plötzlich ein netter junger Mann ums Eck, schnappt sich kurzerhand meinen Koffer als wäre er        ein Handtäschchen und fragt, wohin ich denn möchte. Ich glaube mich an die Apartmentnummer  zu erinnern, nenne sie ihm und stehe wenig später neben ihm  im Fahrstuhl. Und in diesem Moment dämmert es mir, warum der junge Mann so freundlich war, denn er fragt, ob ich schon mal so eine richtig gute Massage bekommen hätte… Ich wäge ab, welche Antwort mich am schnellsten aus dieser Situation befreit: Ja, danke, hatte ich schon mal oder nein, und ich will auch keine. Ich entscheide mich für Letzteres, schon siegessicher, als er in einem Schwall aus Worten anfängt, von seiner großartigen Technik zu schwärmen, die echt nicht weh tue und die total gesund sei und die ich unbedingt mal ausprobieren müsse; er hätte auch gerade Zeit. Ich bleibe freundlich aber bestimmt, schnappe meinen Koffer und flüchte aus dem Fahrstuhl. Nur leider war das die falsche Etage – ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wo die Wohnung war! Hier sieht alles gleich aus! Während ich noch in meinem Gedächtnis krame, steht der junge Mann schon wieder hinter mir, meinen Koffer geschultert und verheißungsvoll grinsend. Die Situation ist so grotesk, dass ich lachen muss und nicht mehr aufhören kann. Ich stehe vor ihm, halte mir den Bauch, und versuche ihm zu erklären, was denn eigentlich so lustig ist. Er lacht mit und so stehen wir noch einige Zeit wie bestellt und nicht abgeholt zwischen den Fahrstühlen und gackern wir die Hühner. Auf der weiteren Suche nach der richtigen Wohnung in diesem riesigen Gebäude lernen Kelvin und ich uns besser kennen. Er hört auf, mir seine Massage aufzudrängen und ich bin dankbar für seine Hilfe.




mein neues Zuhause - mit Palmengarten und Privatkonzert






Jetzt wohne ich seit zwei Tagen bei Kami und lerne mehr über die iranische Kultur als in jedem Geschichtsbuch steht. Wir sitzen nachts  am Pool, die Beine im kühlen Wasser, durch die Palmen blinken einsame Sterne und die immer noch andauernde Hitze mischt sich bald schon mit dem Rotwein im Blut. Habe ich schon mal erwähnt, dass das Leben einfach nur großartig ist?!