träumen

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Der Abschied fiel schwer. Sie hat mich eingenommen und mein Leben bestimmt, drei Monate lang. Sie hat mich nicht schlafen lassen, sie hat mich gescheucht, den Menschen vorgestellt und mein Denken beeinflusst. Sie hat mich verändert, die Stadt. Weinen, lachen, ärgern, freuen – das Gefühlsprogramm ließ keine Wünsche offen. Einige Situationen haben mich zur Weißglut gebracht, gepaart mit absolutem Unverständnis und Fassungslosigkeit. Andere haben mir gezeigt, dass das Leben ganz anders sein kann, als man es sich ausmalt. Zufall oder Schicksal? Es fällt schwer, zu definieren, aber ich tendiere zum Schicksal.
Denn dann kam die Liebe. Völlig unerwartet hat sie mich erwischt, wie ein Auto, das die rote Ampel ignoriert und mich frontal über den Haufen fährt. Obwohl ich doch grün hatte. Das Auto hat sich nicht darum geschert; es hat sogar noch aufs Gas gedrückt. Der Unfall war eine böse Sache, denn der Krankenwagen hat mich bis nach Bali gefahren, und das Auto steht noch in Malaysia. Ich vermisse es. Vielleicht kommt es in drei Wochen nach Vietnam, dann kann ich noch ein bisschen Zeit mit ihm verbringen; aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich es irgendwann nach Deutschland importieren darf, ist gering.
Vom einen Traum geht es auf direktem Wege in den nächsten. Und der ist wunderbar. Er ist voll mit schönen Menschen, die immerzu lächeln.  Es weht ein leichter Wind, der die 30 Grad Celsius erträglich macht. Die Wellen brechen am Strand, während die etlichen Surfer versuchen, sie zu reiten.  Am Boden liegen Bananenblätter, vollgestopft mit Blüten, Räucherstäbchen, Reisbällchen und Toast in Herzform. Die Frauen und Männer knien plötzlich nieder, richten den Blick zum Himmel und beten. Sogar die Ameisenstraße auf meinem Frühstückstisch heute Morgen scheint hinduistisch zu sein: fein säuberlich tragen sie ein paar tote Kollegen zu einem Häufchen zusammen. Die Zeit geht schneller, das Gefühl kommt kaum hinterher. Enge Gassen sind voll mit halbnackten Männern, die ihr Surfbrett zum Strand tragen. Kinder versuchen, den Australiern und Europäern billige Armbänder anzudrehen. Zwischen all der Hektik und Geschäftigkeit wird man von einer herrlichen Leichtigkeit erfasst…
Ich bin auf Bali und ich liebe es.