das Visum, das keines ist
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das Visum, das keines ist
4. Stock. Der Chairman sieht mich an, als wäre ich ein kleines Insekt, das es zu zerquetschen gilt. Besonders frisch sehe ich nicht mehr aus - seit 3 Uhr morgens auf den Beinen und 6 Stunden in der Einwanderungsbehörde haben dunkle Ringe unter meinen Augen gezeichnet. Die Lippen sind spröde, das Haar steht wirr in alle Richtungen. Man könnte mich tatsächlich für eine illegale Einwanderin halten, die seit Monaten auf der Flucht ist.
Er sitzt breitbeinig auf seinem Stuhl und obwohl ich vor ihm stehe, scheint er auf mich herab zu schauen. Ich bin mir sicher, dass er hier nicht viel zu melden hat, aber offensichtlich genießt er es, seine Macht auszuspielen. Der Pass. Der muss nochmal kopiert werden. Aber das hab ich doch schon. Das ist ihm egal. Der Pass, der muss nochmal kopiert werden.
1. Stock. Die geköpften Hähnchen baumeln neben mir, während der Koch ein zweites Mal meinen Pass kopiert. Die Menschen starren mich an, ich habe Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals. Bis zur Oberkante der Unterlippe schwimme ich im pessimistischen Meer. Ob das hier noch ein gutes Ende nimmt? Meine Zuversicht hat mich schon verlassen.
4. Stock. Der Chairman macht mich mittels eines Zettels wieder zu einer Nummer: 5020. Mit einem Kopfnicken gibt er mir zu verstehen, dass ich mich setzen soll. Die Menschen, die hier sitzen, haben Angst. Es wird kaum geredet, eher herrscht eine bedrückende Stille. Ich füge mich in sie und starre auf die Anzeige. Zwei weitere Stunden soll es dauern, bis ich endlich aufgerufen werde. Ein junger Malaye fragt mich endlich ernsthaft, worum es geht. Die Geschichte mit dem falschen Stempel klingt immernoch unglaubwürdig, aber ich habe Beweise. Mein Notebook habe ich bei mir, darin ist die Onlinerechnung von meinem Flug ab London. Neeee, das will er dann auch nicht, ich soll mich wieder setzen. Ich frage mich, warum sie sich selbst so viel Arbeit machen, behalte das aber lieber für mich.
Als ich wieder mal neben einer hustenden Inderin sitze, bemerke ich einen alten, zahnlosen Mitarbeiter der Behörde. Er starrt mich ganz offensichtlich an. Ich schwanke zwischen Angst und Panik; ob die mich jetzt sofort verhaften wollen?! Ich wage ein Lächeln und ernte ein Zwinkern von ihm. Mit seinen Augen deutet er auf den Ausgang zum Treppenhaus und ehe ich weiter darüber nachdenke, was er will, folge ich ihm. Dankbar, dass mir endlich jemand zuhören will, stehe ich ihm dort gegenüber und erzähle von meinem Problem. Aber er ist offenbar an etwas ganz anderem interessiert und kommt mit seinem zahnlosen Mund immer näher. Jetzt werde ich bitter böse und fauche ihn an: wenn er mir nicht helfen kann, soll er sich verziehen. Für einen Moment herrscht Stille zwischen uns - wir kämpfen mit unseren Blicken. Meine Gedanken spielen verrückt - wie komme ich heile aus dieser Situation raus? Wer gewinnt?
Ich! Er macht einen Rückzieher und zündet sich kommentarlos eine Zigarette an. Schweigend und rauchend stehen wir in dem dreckigen Treppenhaus; eine Kakerlake rennt vorbei. Ok, sagt er dann, ich helfe dir. Zum ersten Mal heute spüre ich so etwas wie Erleichterung.
3. Stock. Mit einem Brief aus dem vierten stehe ich wieder mal in einer Warteschlange. Ich weiß nicht, was in dem Brief steht - ich könnte ausgewiesen werden, verhaftet oder am Ende doch geduldet? Die schwangere Frau am Schalter erlöst mich von meinen Qualen: da hätte ich aber Glück gehabt, dass mein Visum verlängert wurde. Ich bin zu schwach, um zu lächeln, und nehme wortlos meinen Pass entgegen.
Im Treppenhaus lehne ich mich erschöpft gegen die Wand, rauche eine Zigarette und lasse die letzten 10 Stunden von mir abfallen. Entspannung. Endlich. Doch als ich in meinen Pass blicke, möchte ich mich augenblicklich übergeben. Ein Visum habe ich, allerdings nur bis zum 29. Mein Flug nach Bali geht am 30. Als ich gerade in Tränen ausbrechen will, kommt der zahnlose Mann durch die Tür. Als er das Desaster sieht, schüttelt er nur mit dem Kopf und faselt etwas von Wiederkommen.
Wiederkommen? Hierher? Nochmal?
Entsetzt, traurig, dreckig und müde lasse ich den zahnlosen Mann stehen. Lasse Nummern, Hähnchen und Lärm zurück - bis nächste Woche. Dann geht der Spaß von Neuem los.
4. Stock. Der Chairman sieht mich an, als wäre ich ein kleines Insekt, das es zu zerquetschen gilt. Besonders frisch sehe ich nicht mehr aus - seit 3 Uhr morgens auf den Beinen und 6 Stunden in der Einwanderungsbehörde haben dunkle Ringe unter meinen Augen gezeichnet. Die Lippen sind spröde, das Haar steht wirr in alle Richtungen. Man könnte mich tatsächlich für eine illegale Einwanderin halten, die seit Monaten auf der Flucht ist.
Er sitzt breitbeinig auf seinem Stuhl und obwohl ich vor ihm stehe, scheint er auf mich herab zu schauen. Ich bin mir sicher, dass er hier nicht viel zu melden hat, aber offensichtlich genießt er es, seine Macht auszuspielen. Der Pass. Der muss nochmal kopiert werden. Aber das hab ich doch schon. Das ist ihm egal. Der Pass, der muss nochmal kopiert werden.
1. Stock. Die geköpften Hähnchen baumeln neben mir, während der Koch ein zweites Mal meinen Pass kopiert. Die Menschen starren mich an, ich habe Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals. Bis zur Oberkante der Unterlippe schwimme ich im pessimistischen Meer. Ob das hier noch ein gutes Ende nimmt? Meine Zuversicht hat mich schon verlassen.
4. Stock. Der Chairman macht mich mittels eines Zettels wieder zu einer Nummer: 5020. Mit einem Kopfnicken gibt er mir zu verstehen, dass ich mich setzen soll. Die Menschen, die hier sitzen, haben Angst. Es wird kaum geredet, eher herrscht eine bedrückende Stille. Ich füge mich in sie und starre auf die Anzeige. Zwei weitere Stunden soll es dauern, bis ich endlich aufgerufen werde. Ein junger Malaye fragt mich endlich ernsthaft, worum es geht. Die Geschichte mit dem falschen Stempel klingt immernoch unglaubwürdig, aber ich habe Beweise. Mein Notebook habe ich bei mir, darin ist die Onlinerechnung von meinem Flug ab London. Neeee, das will er dann auch nicht, ich soll mich wieder setzen. Ich frage mich, warum sie sich selbst so viel Arbeit machen, behalte das aber lieber für mich.
Als ich wieder mal neben einer hustenden Inderin sitze, bemerke ich einen alten, zahnlosen Mitarbeiter der Behörde. Er starrt mich ganz offensichtlich an. Ich schwanke zwischen Angst und Panik; ob die mich jetzt sofort verhaften wollen?! Ich wage ein Lächeln und ernte ein Zwinkern von ihm. Mit seinen Augen deutet er auf den Ausgang zum Treppenhaus und ehe ich weiter darüber nachdenke, was er will, folge ich ihm. Dankbar, dass mir endlich jemand zuhören will, stehe ich ihm dort gegenüber und erzähle von meinem Problem. Aber er ist offenbar an etwas ganz anderem interessiert und kommt mit seinem zahnlosen Mund immer näher. Jetzt werde ich bitter böse und fauche ihn an: wenn er mir nicht helfen kann, soll er sich verziehen. Für einen Moment herrscht Stille zwischen uns - wir kämpfen mit unseren Blicken. Meine Gedanken spielen verrückt - wie komme ich heile aus dieser Situation raus? Wer gewinnt?
Ich! Er macht einen Rückzieher und zündet sich kommentarlos eine Zigarette an. Schweigend und rauchend stehen wir in dem dreckigen Treppenhaus; eine Kakerlake rennt vorbei. Ok, sagt er dann, ich helfe dir. Zum ersten Mal heute spüre ich so etwas wie Erleichterung.
3. Stock. Mit einem Brief aus dem vierten stehe ich wieder mal in einer Warteschlange. Ich weiß nicht, was in dem Brief steht - ich könnte ausgewiesen werden, verhaftet oder am Ende doch geduldet? Die schwangere Frau am Schalter erlöst mich von meinen Qualen: da hätte ich aber Glück gehabt, dass mein Visum verlängert wurde. Ich bin zu schwach, um zu lächeln, und nehme wortlos meinen Pass entgegen.
Im Treppenhaus lehne ich mich erschöpft gegen die Wand, rauche eine Zigarette und lasse die letzten 10 Stunden von mir abfallen. Entspannung. Endlich. Doch als ich in meinen Pass blicke, möchte ich mich augenblicklich übergeben. Ein Visum habe ich, allerdings nur bis zum 29. Mein Flug nach Bali geht am 30. Als ich gerade in Tränen ausbrechen will, kommt der zahnlose Mann durch die Tür. Als er das Desaster sieht, schüttelt er nur mit dem Kopf und faselt etwas von Wiederkommen.
Wiederkommen? Hierher? Nochmal?
Entsetzt, traurig, dreckig und müde lasse ich den zahnlosen Mann stehen. Lasse Nummern, Hähnchen und Lärm zurück - bis nächste Woche. Dann geht der Spaß von Neuem los.
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