Glaubenssache

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Glaubenssache

Allah und ich, wir werden keine Freunde, soviel steht fest. Und vermutlich komme ich dafür in die Hölle. Vielleicht nicht für meine Trunkenheit, auch nicht für meine unkoscheren Gedanken oder den Sex vor der Ehe, die ich nicht haben will. Ich glaube einfach nicht an ihn, und laut der Aussage eines gläubigen Moslems ist das Grund genug.

Ich sitze auf der Terrasse eines Häuschens im Internat und sehne mich nach einem Bier. Eine Katze hat es sich auf meinem Schoß bequem gemacht; sie sucht ein bisschen Ruhe vor ihren zwei Wochen alten Babys. Es dämmert bereits und ich versuche mich nach dem Tag in Terengganu zu entspannen. Ein junger Mann, natürlich Moslem, ist bei mir und unsere Unterhaltung führt unweigerlich zu seiner Religion. Nach dem Interview mit Mek Wok haben sich Fragen in mir aufgestaut, die ich beantwortet haben will. Zum einen wäre da die verflixte Ehe. Für die meisten Moslems ist dieses Ereignis Dreh- und Wendepunkt in ihrem Leben, aber ab da gibt es meistens kein Zurück mehr. Sich scheiden zu lassen ist nicht gern gesehen, und schon der Weg dorthin eine Hürde. Ich werde zunehmend ungläubiger, je länger ich mich mit dem jungen Mann unterhalte. Und ärgerlich. Meine feministische Seite ist vielleicht ausgeprägter als die anderer Frauen, aber jeder Dummkopf auf der Welt würde diese Religion als ungerecht bezeichnen, wenn er unser Gespräch hören würde. Die Ehe ist eine Pflicht – schon allein diese Tatsache stößt mir bitter auf. Das ist ja wie im Strafvollzug – wo bleibt da die Freiheit? Und erst recht die Liebe?  In meiner Kultur – ich sage nicht Religion, denn die habe ich nicht  - ist die Ehe doch ein Zeichen dafür, dass man sich so sehr liebt, dass man sich sicher ist, sein Leben mit diesem Menschen teilen zu wollen. Im Islam ist schon die Voraussetzung dafür eine ganz andere: die Familien bestimmen meistens, wer wen heiratet. Meistens kennen sich die beiden gar nicht. Ich denke an Mek Wok, die, als sie 25 war, mit einem 14jährigen verheiratet wurde. Warum um alles in der Welt! Welchen Sinn macht das?? Die Ungerechtigkeit nimmt kein Ende: ein Moslem könnte eine Jüdin oder eine Christin heiraten – allerdings nur dann, wenn sie seinen Glauben annimmt. Eine Moslemin allerdings darf nur einen Moslem heiraten. Warum? Man weiß es nicht. Jeder Moslem darf vier (!) Frauen heiraten; ja, auch heute noch, und ich frage mich ernsthaft, ob das damals in Mohammeds Sinne war, als er sich über seinen Schreibtisch beugte und den Essay über den „perfekten Moslem“ schrieb. Betrunken war er vermutlich nicht, denn Alkohol ist ebenso eine Sünde wie die Scheidung. Wer auch immer Mohammed damals ins Ohr geflüstert hat, was er den Menschen mit auf den Weg geben soll, derjenige hatte etwas gegen Frauen. Sie darf sich nur dann scheiden lassen, wenn sie dieses Recht bei der Heirat verlangt hat. Hat sie das nicht, muss sie vor Gericht gehen und es einklagen. Klingt fast so, als hätte sie eine ernsthafte Möglichkeit das zu tun. Man darf dann nur nicht fragen, woher sie das Geld dafür nimmt oder ob sie überhaupt so weit kommt. Denn um das Haus zu verlassen, muss sie ihren Ehemann schließlich um Erlaubnis bitten. Der Mann darf sich übrigens ohne Weiteres scheiden lassen.
Ich muss mich zügeln, nicht aufzuspringen, meine Kleider vom Leib zu reißen und nackend über das Internatsgelände zu laufen; mit einer Tröte im Mund und einem Plakat in der Hand: „Allah was wrong!“ Ich versuche ja  zu verstehen, was mir der junge Mann an meiner Seite da zu erklären versucht. Aber je länger wir uns unterhalten, umso mehr verschließt sich der Sinn des Ganzen vor mir. Es gibt zu viele Ungerechtigkeiten in dieser Religion. Sie ist verstaubt und gehört ins Mitterlalter. Der Islam passt sich dem Heute nicht an. Er will es auch gar nicht.

Es ist Zeit für sein Abendgebet. Er geht ins Haus; ich warte stillschweigend auf der Terrasse. Ab und zu laufen ein paar Schüler vorbei. Die Jungs in kurzen Hosen und T-Shirts; sie lachen ausgelassen und machen Späßchen als sie mich sehen. Die Mädchen sind von Kopf bis Fuß verhüllt, sie schwitzen unter ihren Kopftüchern und senken den Blick, wenn sie an mir vorbei kommen. Während er gen Mekka betet, für was auch immer, stelle ich mich unter die Dusche. Meine einzigen sauberen Sachen, die ich bei mir habe, sind ein schulterfreies Tanktop und ein kurzer Rock. Für einen Moment zweifle ich, ob ich mich damit sehen lassen kann, verwerfe den Gedanken aber sofort. Obwohl es schon später Abend ist, sind es noch immer 35 Grad. Als ich raus komme, sitzt der junge Mann mit ein paar Freunden auf der Terrasse. Sie wenden den Blick ab, als ich raus komme und ich werde höflich gebeten, mich doch „etwas mehr zu bedecken“. Etwas widerwillig kehre ich um und ziehe ein müffelndes  T-Shirt an. Ich fühle mich unwohl. Nicht, weil ich ein Problem mit langen Ärmeln hätte, sondern weil ich mich in meiner Freiheit beraubt fühle. Ok, ich bin hier, und ich muss mich anpassen. Aber laufen in Deutschland nicht auch überall Frauen mit Kopftuch rum und erwarten wir etwa, dass sie es ablegen?

Seine Freunde gehen nach Hause, wir unterhalten uns weiter. Langsam fange ich an, meine eigene Religion ernsthaft in Frage zu stellen. Aber da gibt es nichts in Frage zu stellen, denn ich habe keine. Ich glaube nicht an den bärtigen Mann, der an der Himmelspforte wartet und mir die Leviten liest. Entsprechend gibt es auch keinen Allah oder Buddha oder sonst wen. Es gibt meine eigene Wahrheit. Für alles andere bin ich viel zu sehr Realistin, in anderer Augen noch eine böse Feministin dazu und einige würden mich vermutlich auch der Blasphemie beschuldigen wenn ich ihnen ernsthaft meine Ansichten erkläre. Nein, ich bete nicht fünfmal am Tag und ich hebe mich auch nicht für einen Mann auf. Ich bin eine autonome Frau, die selbstbestimmt durch ihr Leben geht und ihre eigene Wahrheit hat. Ich betrinke mich regelmäßig und liege im Sommer barbusig am Strand. Ich zeige, was ich habe und sehe Männer nicht selten als netten Zeitvertreib. Vielleicht ist das nicht der beste Weg, zu leben, aber zumindest ist es mein eigener. Vielmehr glaube ich daran, dass wir für das, was wir in unserem Leben tun und wie wir es tun, irgendwann eine Antwort bekommen. Ob nun Allah oder Jesus oder sonst jemand über uns urteilt. Wichtig ist doch nur, dass wir menschlich durchs Leben gehen. Mit guten Absichten, mit Respekt anderen gegenüber, ohne Vorurteile und ohne zu urteilen. Ich möchte in den Spiegel sehen können und zufrieden sein. Mit mir und mit den Dingen, die ich tue. Mit den Menschen um mich rum und mit meinen Werten, die ich von meinen Eltern mitbekommen habe. Ich möchte zu einer „besseren“ Welt beitragen. Ich möchte kritisch sein dürfen und gleichzeitig offen für die Meinungen anderer. Zumindest in dem Punkt der „Antwort“ stimme ich dem Islam zu. Wenn auch in abgeschwächter Form: der Tag des „jüngsten Gerichts“, an dem die Menschen für ihre Taten zur Verantwortung gezogen und entweder mit dem Höllenfeuer bestraft oder dem Paradies belohnt werden.

Der junge Mann und ich kommen an einen heiklen Punkt. Er ist ein denkbar offener Mensch, der mich nicht verurteilt (für meine Fahrt in die Hölle hat Allah bereits in Ticket gelöst). Aber die Frage nach seinem Gott ist ein schwieriges Thema und ich bin beeindruckt von seinem unerschütterlichen Glauben. Er sagt, Allah habe die Welt erschaffen. Ich sage, es war der Urknall. Eine einfache, chemische Reaktion im Universum. Ich frage, wie er diesen Fakt ignorieren könne, immerhin gibt es Beweise. Dann hat Allah eben den Urknall gemacht. Schachmatt. Ich bin erledigt.

Das Baby ist ausgebüchst. Die Katze springt von meinem Schoß, schnappt es im Nacken und trägt es zurück in den Karton. Und auch mein Gegenüber macht sich auf den Heimweg. Mir dröhnt der Kopf. Ich komme zu dem Schluss, dass der Islam wohl keine schlechte Idee war. Er hilft den Menschen; auf die eine oder andere Weise. Und 1,4 Milliarden Muslime können sich ja nicht so grundlegend irren. Trotzdem bin ich froh, nicht dazu zu gehören. Dafür gibt es zu viele unsinnige Gesetze in dieser Religion und solange die Frauen noch immer als minderwertig betrachtet werden, ändere ich meine Meinung nicht. Sollte Allah mir tatsächlich irgendwann meine Sünden vorhalten, werde ich ihn zu einem Kaffee oder vielleicht doch zu einem Bier einladen und ihm ordentlich den Kopf waschen. Ich werde ihm sagen, dass er sich damals geirrt hat. 

Als ich endlich alleine bin und zum ersten Mal zur Ruhe komme, laufen noch zwei junge Mädchen vorbei, die sich einfach zu mir setzen und mich ausfragen. Was sie in den Ferien machen könnten; sie würden vielleicht nach Europa fliegen dürfen. Ich sage, macht das, da ist es schön und empfehle ihnen nicht, was mir Spaß macht, denn das bringt mich schließlich in die Hölle. Ich lasse den Teil mit den Diskos, Alkohol und Männern weg und stelle erstaunt fest, dass mir dann auch nicht mehr viel einfällt, außer sie ins Museum zu schicken. Aber auch da wären sie wahrscheinlich nackten Büsten ausgesetzt. 

Das kleine Kätzchen (ich bin sicher, es ist ein Mädchen) versucht schon wieder, aus dem Karton zu flüchten. Ohne Kopftuch. Seine Katzenmama schaut mich ratlos an und ich blicke genauso verdattert zurück. Sie macht es schon richtig, denke ich, und gehe ins Bett.

1 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ach Madi, es gibt eben Dinge, die man nicht ändern kann. Und nur, weil 1, 4 Millionen Muslime an all das glauben, muss es nicht richtig sein! glaube wir sind dafür einfach zu frei erzogen worden: Werte und Normen reichen aus, um dem Kind etwas Gutes mit auf den Weg zu geben:)
Ich drück dich aus der Ferne, Neddi:-*