Im Rausch

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Die Straße ist dunkel und verlassen. Hinter mir raschelt etwas im Gebüsch. Ich starre gespannt auf das undurchdringliche Schwarz der Blätter und warte. Irgendetwas bewegt sich dort. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, als ich mich einem gelben Augenpaar gegenüber sehe. "Jesus!", fluche ich, als der zu den Augen gehörende Körper wie ein Geist aus der Dunkelheit erscheint. Das schwarze katzenartige Tier mustert mich skeptisch und beschließt dann offensichtlich, sich nicht weiter um mich zu scheren, was mir nur recht ist.
Also gut, noch einmal, denke ich, und ziehe mein Handy aus der Tasche. Ein letztes Mal versuche ich vergeblich, ein Taxi zu ordern, das mich nach Bangkit Desa bringen soll. Dort könnte ich seit einer halben Stunde mit Andrew in der GipsyBar sitzen und Bier trinken. Es ist 12 Uhr nachts und ich überlege ernsthaft, ob nicht doch noch ein Bus fährt... welch Naivität! Taxen scheinen jedoch ebenso Mangelware zu sein wie der Nahverkehr unzuverlässig ist. Um die Wartezeit auf eines der Vehikel zu überbrücken, versuche ich nun doch, mich ein wenig mit der Katze anzufreunden. Vielleicht hat sie es sich ja anders überlegt. "Muschimuschi", höre ich mich rufen. Muschimuschi??? Ich bin nah dran, mich zu schämen. Doch ehe das Tier seinen Unmut über meinen kläglichen Versuch äußern kann, höre ich die Rettung um eine Ecke fahren und springe fast vors Auto. Endlich.
Wie die Reeperbahn in groß, noch größer, eröffnet sich die Samstagnacht vor mir. Ohrenbetäubende Musik dröhnt aus den zahllosen Bars und Clubs, in denen junge Chinesinnen (oder doch Thais?) sehr offenherzig und sehr erfolgreich um die Gunst älterer (vornehmlich europäischer) Herrschaften buhlen. Die Damen tanzen, ich staune. Berauscht von den Eindrücken schlängele ich mich gekonnt vorbei an den lüsternen Blicken, durch ein Wirrwarr von Wörtern, entlang des nächtlichen Chaos dieser faszinierenden Welt. Durch die schwarzen Haare und Augen hindurch erblicke ich endlich einen blonden Andrew!
Fast schon monoton leiere ich in den nächsten Stunden den Satz "thats my boyfriend" runter, um mir die allzu kontaktfreudigen Männer fernzuhalten, welche wirklich nichts unversucht lassen und bemerkenswert ausdauernd sind. Mein Begleiter und ich finden wenig später ein entspanntes Plätzchen auf der Terasse eines Clubs. Ich fühle die heiße Luft auf meiner Haut und den Wodka in mir wirken. Eine angenehme Mischung aus Emotionen durchflutet mich; ich lasse mich treiben und vergesse die Welt um mich herum...
Gegen 6 Uhr früh müssen Andrew und ich unsere gehaltvollen Diskussionen beenden, als wir etwas unsanft aus dem Club befördert werden. Auch in Asien geht die Nacht vorüber und wie überall auf der Welt torkeln die letzten einsamen Seelen mit leerem Blick vorbei. Stolz, noch so standfest zu sein, verabschiede ich mich von Andrew und sinke glücklich in das kühle Leder des nächstbesten Taxis.